AXEL WEBER: GUT FÜR DIE EZB, SCHLECHT FÜR DIE BUNDESBANK
: Professor vor der Praxis-Phase

Der künftige Präsident der Bundesbank hat zwei große Aufgaben: Er ist Mitglied des Gremiums, das im gesamten Euroland die Haushalts- und Verschuldungspolitik überwacht, die Zinshöhen bestimmt und damit Inflationsrate und Wechselkurse beeinflusst. Und er muss eine vierzehntausendköpfige Service-Einrichtung mit enormem Beharrungsvermögen einschrumpfen, die seit Gründung der Europäischen Zentralbank deutlich überdimensioniert ist. Der zurückgetretene Altchef Ernst Welteke trat vor allem als Behördenchef in Erscheinung, vernachlässigte aber seine Rolle als Finanzpolitiker. Bei Wirtschaftsprofessor Axel Weber, dem Neuen, ist es genau andersherum: Der Wissenschaftler hat keinerlei Erfahrung mit der Leitung einer Großbehörde, kennt sich aber in der Geldpolitik und beim Leitungspersonal der Europäischen Zentralbank sehr gut aus.

Überfordern wird ihn die Mitarbeit im EZB-Rat nicht. Weber braucht sich nur alle vierzehn Tage an den Zinsentscheidungsdiskussionen zu beteiligen. Niemand bezweifelt, dass er dafür fachlich geeignet ist, und mit dem EZB-Alltagsgeschäft hat er nichts zu tun. Wirtschaftspolitisch ist die Entscheidung für Weber zugleich eine für Kontinuität. Bisher fehlt jeder Hinweis darauf, dass er den Mainstream der EZB-Prinzipien verlassen könnte. Im Gegenteil – durch seine wissenschaftlichen Arbeiten hat er fleißig an ihrem Zustandekommen mitgewirkt. Insofern bleibt auch die stabilitätspolitische „deutsche Kultur“ in der EZB unerschüttert, die sich ausschließlich als Inflationsbekämpfung versteht und nicht als Dienstleistung für eine die Konjunktur stimulierende, letztlich auf Verschuldung beruhende Haushaltspolitik.

Bei der EZB sind also keine Überraschungen zu erwarten, bei der Bundesbank aber leider auch nicht. Ausgerechnet für die wichtigsten Aufgaben seiner Führungsarbeit ist Weber am wenigsten qualifiziert: privatisieren und Kompetenzen an andere Behörden abgeben. Umgekehrt heißt das, dass nur hier echte Überraschungen zu erwarten sind – wenn der Professor in seine Praxis-Phase eintritt. DIETMAR BARTZ