Schwer ist leicht was

Unter dem Titel „Heavy Metal. Die unerklärbare Leichtigkeit eines Materials“ zeigt die Kieler Kunsthalle Skulpturen aus fünf Jahrzehnten. Deren einzige Gemeinsamkeit besteht darin, dass sie alle aus Metall sind. Inhaltliche Bezüge zwischen den Werken gibt es kaum

Blechteile, zu stehenden Formen gerollt, klammern sich an andere Überreste eines Autos. Mit Lackspuren überzogen streben sie in die Höhe. Glänzende Auspuffrohre schieben sich heraus, tasten sich in den Raum vor. Wie Zombies auf Nahrungssuche. Ein Schritt nach links und die Blechteile stehen gerade und kein Windzug kann sie ins Wanken bringen.

Einen Wechsel des Blickpunkts verlangt nicht nur die Skulptur „Straits of Night“ von John Chamberlain, sondern alle Objekte in der Ausstellung „Heavy Metal. Die unerklärbare Leichtigkeit eines Materials“. Die Kunsthalle zu Kiel zeigt bis Ende März 58 Schlüsselpositionen der Metallskulptur, die aus fünf Jahrzehnten stammen, beginnend mit den 1960er Jahren. Ihr einziges verbindendes Element: Alle Objekte bestehen aus Metall. In allen seinen Formen, Arten und bearbeitet mit den unterschiedlichsten Werkzeugen.

Die gegossenen, gehämmerten und polierten Objekte verteilen sich über die gesamte Ausstellungsfläche. Sie stellen sich in den Weg und nehmen Raum ein. Sie funktionieren nicht nur durch schwergewichtige physische Präsenz, sondern beispielsweise auch durch ein vergleichsweise filigranes Spiel von Licht und Schatten: Beim „Wire Piece“ von Bill Bollinger etwa verschwimmt die Begrenzung des Objekts. Ein grober Maschendrahtzaun wölbt sich an der Wand und gibt je nach Standort neue Einsichten in seine feste oder flüchtige Form. Aber nicht nur dieser Kontrast irritiert die Wahrnehmung.

Schwer und leicht ist ein weiteres Gegensatzpaar, mit dem einige Skulpturen arbeiten. Andere Künstler wie Donald Judd experimentieren mit Volumen und Leere. Die silberfarbene Kiste mit ihren unterschiedlich hohen Querverbindungen steht bald voll und dann wieder leer da – je nach Standpunkt des Betrachters. Die Arbeit mit Kontrasten und die Suche nach den Grenzen des Materials prägen die in den 1960er Jahren entstandenen Objekte.

Neuere Werke thematisieren auch Grenzen, aber eher die des eigenen Blicks. Andere Installationen bearbeiten persönliche Erfahrungen wie der Sternenhimmel von Carol Bove, der mit 475 Bronzestäben exakt die Sternenkonstellation wiedergibt, die am Himmel über New York zum Geburtstag von Boves Galeristin zu sehen war.

Noch persönlicher wird es, wenn das Metall so poliert ist, dass es wie ein Spiegel reflektiert und den Raum und somit die Betrachterin in die Skulptur mit einbezieht. Der 2,65 Meter große und 800 Kilogramm schwere Edelmetallspiegel des indischen Bildhauers Anis Kapoors etwa spiegelt und verzerrt gleichermaßen, so dass ein eigenes Bild nicht mehr festgehalten werden kann. Wo die Skulpturen der sechziger Jahre noch konsensualisierte Blicke auf die Welt irritieren, setzen die zeitgenössischen Skulpturen vermehrt auf die Introspektion des Betrachters.

Ansonsten aber knüpfen die Skulpturen inhaltlich nicht aneinander an, sondern besetzen als Einzelstücke die Ecken und Gänge der Kieler Kunsthalle. Verstärkt wird dieser Eindruck eines Sammelsuriums noch durch die eingestreuten musikalischen Bezüge. Beispielsweise prangt da unvermittelt ein Foto der Heavy-Metal-Band Iron Maiden an der Wand, das Iron Maiden Fans die einmalige Gelegenheit geben will, sich ein Denkmal zu setzen.

Gleichsam assoziativ verfährt das begleitende Filmprogramm. Neben einer Dokumentation über den Bau von Containerschiffen finden sich der Heimatfilm „Full Metal Village“ von Sung-Hyung Cho über das Wacken Open Air oder die Verfilmung des Romans von Milan Kundera „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“. Das Spiel mit dem schweren Material, dass auch leicht scheinen kann, wird soweit getrieben, dass es beliebig wirkt. Das Material allein macht noch kein Konzept.

KENDRA ECKHORST

Heavy Metal. Die unerklärliche Leichtigkeit eines Materials. Bis 22. 3. in der Kunsthalle Kiel