Sauerstofftherapie

Während viele Bahnkunden über gestiegene Preise klagen und das Unternehmen selbst in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, veranstaltete die DB-Regio gestern eine tolle PR-Aktion

Investitionsprojekt: 66 Millionen Euro für Luxuszüge mit schicken Glastüren

taz ■ Es blubbert, wackelt und vibriert auf dem weißen Luftsessel im Hauptbahnhof. Durch enge Plastikmasken strömt 94-prozentiger Sauerstoff in die Lungen der Passanten. „Nordseeluft schnuppern“ nennt das die Bahn. Vor einem sommerlichen Podest mit Sand, Sonnenschirm und Wasserball steht Wolfram von Fritsch und preist die Deutsche Bahn als bestes Verkehrsmittel für den entspannten Urlaub in der Region. Am Körper trägt der Leiter der DB-Regio Niedersachsen/Bremen dunkle Nadelstreifen, am Ohr klebt das Handy. So merkt wenigstens keiner, dass Fritsch eigentlich nichts zu tun hat: Die Presse ist nur spärlich erschienen und auch die Bahngäste scheinen sich nur mäßig für die PR-Veranstaltung zu interessieren.

Verzweifelter Aktionismus in schlechten Zeiten? Laut ihrem eigenen Geschäftsbericht hat die Bahn im vergangenen Jahr eine halbe Milliarde Euro Verlust gemacht. Die Misere scheint sich fortzusetzen: Gerüchte kursieren, dass die Fahrgastzahlen im ersten Quartal 2003 um etwa sieben Prozent zurück gegangen sind. Wolfram von Fritsch wiegelt ab: „Unser Nahverkehr läuft weiterhin stabil.“

Trotzdem sind viele Bahnkunden unzufrieden. Besonders spontane Fahrten im regionalen Bereich sind mit den neuen Tarifen teurer als früher. Ein einfaches Beispiel: Wer vor der Preisumstellung mit dem Regionalexpress von Bremen nach Hannover fahren wollte, zahlte 17,20 Euro, mit Bahncard 8,60 Euro. Die neue Bahncard drückt den Preis nur noch um ein Viertel. Unterm Strich muss der Bahncardbesitzer nun also 12,90 Euro, die Hälfte mehr als früher, berappen.

Von all dem will man bei der lustigen Strandparty im Bremer Hauptbahnhof nichts wissen. „Die meisten Leute sind davon doch gar nicht betroffen“, murmelt Wolfram von Fritsch, dreht sich zur Seite, fummelt an einer kleinen Miniatureisenbahn und wispert seiner Assistentin zu, dass man das gute Stück doch mal vom Podium herab den Leuten zeigen könnte. Derweil probt ein quirliger Teenager mit Igelfrisur sein Talent als Marktschreier, lockt einige wenige Zugfahrer unter die Sauerstoffmaske, während zwei hübsche Kolleginnen die Vorbeigehenden dazu bezirzen, an einem Gewinnspiel teilzunehmen.

Preissteigerungen? „Die meisten Leute sind davon doch gar nicht betroffen“

Dann spricht Wolfram von Fritsch doch wieder –von „Attraktivität durch Modernisierung“. Irgendwann zieht er sein Ass aus dem Ärmel, das große glücklich machende Reizwort „Investition“. Im vergangenen Jahr hätten die DB und das Land Niedersachsen 66 Millionen Euro in moderne Doppelstock-Wagen gepumpt. „Das ist ein tolles Angebot“, schwärmt Fritsch. „Denn die Wagen sind mit Klimaanlagen und schönen Glastüren ausgestattet.“ Bei so viel Komfort sei es völlig gerechtfertigt, große Summen zu investieren, anstatt die Fahrpreise klein zu halten. Für alle Nörgler hat der DB-Mann dann aber doch noch einen guten Rat: „Mit dem Niedersachsen-Ticket kann man mit fünf Leuten einen ganzen Tag lang durch Niedersachsen, Bremen und Hamburg fahren. Und das alles für nur 21 Euro.“ TW