Politik der toten Hand

Die Kanzlerin untermalt ihre Neujahrsansprache ikonografisch gewagt mit Fleurop und Fahne

Dieses Bild schafft Hoffnung. Ja, es gibt eine Krise, weltweit mutmaßlich. Aber es gibt auch Angela Merkel, in Deutschland, und die bringt uns Maß und Mitte, Mittelmaß zurück. Das, also Mitte und Maß, haben manche Banker nämlich verloren, und die Welt hat über ihre Verhältnisse gelebt. Sagte die Kanzlerin in ihrer Neujahrsansprache. Was es nun also braucht, sind deutsche Tugenden, allen voran Beständigkeit und Bescheidenheit.

Wie schön, dass Merkel mit bestem Beispiel vorangeht und die Brille von Altkanzler Gerhard Schröder aufträgt, die Perlenkette von Oma und die Uhr von der Jugendweihe. Sie weiß um die Zeit, um die Stunde. Aber ach, die Hoffnung, auch sie muss bleiben. Was könnte da optimistischer sein als ein Bouquet fröhlichfarbiger Blumen im tiefsten grauen Winter? Denn Umwelt und Wirtschaft, das geht zusammen, sagt die Kanzlerin mit Mittelstandsunternehmerinnen-Blick. Das locker hingeworfene Sträußchen erinnert zudem an zutiefst deutsche Errungenschaften wie Tulpen und Fleurop und bildet einen hübschen Rahmen mit der deutschen Fahne rechts im Bild.

Im Stile niederländischer Meister hängt sie dort wie der Vorhang der Geschichte, der etwas schlaff fällt, aber wir haben schon ganz anderes überstanden. Kein Grund, nervös zu werden. Merkel ist die Mitte des Bildes. Den Reichstag, also quasi das ganze deutsche Volk, hat sie im Rücken, die Hände ruhen auf einer ledernen Schreibtischunterlage. Früher, als alles besser war, waren Merkels Hände zum Gebet gefaltet. Doch jetzt hilft auch Beten nicht mehr. „Ich werde nicht lockerlassen“, sagt die Kanzlerin und probt das Festhalten am Mittelfinger. Doch sind es wirklich ihre Hände? Es sieht mehr nach Wachsfigurenkabinett aus. Da kommen ja öfter mal Körperteile weg. Politik nicht der ruhigen, sondern der toten Hand. DANIELA ZINSER