Norwegen bläst zum Rückzug aus dem Irak

Regierung will Soldaten abziehen. Demgegenüber denkt Dänemark über eine Aufstockung seiner Truppen nach

STOCKHOLM taz ■ Die Regierung in Oslo hat die USA darauf vorbereitet, dass auch Norwegen beabsichtigt, zum 30. Juni seine Soldaten aus dem Irak abzuziehen. „Washington ist dies bekannt“, erklärte Ministerpräsident Kjell Magne Bondevik am Mittwoch: Man räume einem Einsatz in Afghanistan Priorität ein und hoffe auf Verständnis seitens der US-Administration. Norwegen hat eine etwa 150 Mann starke Truppe von Ingenieursoldaten im Gebiet von Basra stationiert. Über deren weiteres Schicksal wird das Parlament im Mai beschließen.

Nach dieser klaren Festlegung des christdemokratischen Regierungschefs leitete auch der bisher widerspenstige Koalitionspartner, die konservative „Høyre“ einen Schwenk in ihrem Widerstand gegen einen Abzug ein. „Ich kann nichts anderes sehen, als dass wir in der zweiten Jahreshälfte keine Soldaten mehr im Irak haben“, teilte Außenminister Jan Petersen mit. Noch vor drei Wochen hatte sich der „Høyre“-Politiker bei einem Truppenbesuch im Irak vorsichtig positiv zu einer Fortsetzung der Militärpräsenz geäußert: „Sieht man, welche Aufgaben anstehen, verdient unser Engagement eine Verlängerung.“

Die Linie der Regierung dürfte vorwiegend der Stimmung in der Bevölkerung geschuldet sein. Eine aktuelle Umfrage brachte eine Zustimmung von 27,5 Prozent für eine weitere Anwesenheit norwegischer Soldaten im Irak. Norwegen gehört zu den wenigen Ländern, die sich einerseits deutlich gegen den Irakkrieg der USA und Großbritanniens ausgesprochen hatten, aber auf Bitten der Nato-Partner nach Kriegsschluss trotzdem eine Truppe zur Verfügung stellten. Dabei sollte die gewählte Form einer „Ingenieurtruppe“ von vornherein ein zweitklassiges Engagement signalisieren.

Von der linken Opposition war diese zwiespältige Haltung kritisiert worden: Da der Krieg nicht unter UN-Mandat geführt wurde, das Land nicht an einer Nato-Operation teilnehme und seine Soldaten formal einem britischen Regiment, also Okkupationskräften, unterstellt wurden, sei der Einsatz verfassungswidrig. Unter militärischem Gesichtspunkt war der Einsatz des kleinen Verbands als fast sinnlos bezeichnet worden: Der überwiegende Teil der Ressourcen sei verwendet worden, sich selbst zu beschützen. Für den geplanten humanitären Einsatz seien kaum Kräfte übrig geblieben.

Thorbjørn Jagland, Sozialdemokrat und Vorsitzender des außenpolitischen Parlamentsausschusses des Stortinget, schlug vor, das Ende des norwegischen Engagements im Irak mit einem deutlichen politischen Signal zu verknüpfen: Anstatt einen Beitrag zur Stabilisierung in der Region zu leisten und die gemäßigten Kräfte zu fördern, habe Norwegen faktisch offenbar eine USA-Politik unterstützt, die „40 Jahre israelische Okkupation und den Bau illegaler Ansiedlungen belohnt“. Oslo solle die Gelder, die mit dem Ende des Truppeneinsatzes im Irak frei würden „den demokratisch gewählten Führern Palästinas zur Verfügung stellen“.

In Kopenhagen ist unterdessen eine Verstärkung des militärischen Engagements im Gespräch. Mit den britischen Streitkräften wird über eine Ausweitung der dänischen Einsatzzone rund um Basra auf das Gebiet bis zur kuwaitischen Grenze beraten. Das würde auch eine Aufstockung der Truppenstärke von jetzt 410 Soldaten bedeuten. Fraglich ist, ob die Regierung in Kopenhagen eine Parlamentsmehrheit für diese Ausweitung des Irak-Engagements erhalten wird. Das Anfang der Woche veröffentlichte Geheimdienstmaterial, das Grundlage für die dänische Teilnahme an der Irakkriegskoalition war, hat den innenpolitischen Streit über das Irakengagement verschärft.

Die kleinen Kontingente der drei baltischen Staaten scheinen demgegenüber auch nach dem 30. Juni im Irak stationiert zu bleiben. Formal sind zwar weder in Estland, Lettland noch Litauen Entscheidungen getroffen worden, aber aus allen drei Regierungen verlautete die Einschätzung, ein Abzug sende „falsche Signale“. REINHARD WOLFF