Modern-Talking-Fans wählen SPD

Indem Sigmar Gabriel die Trennung von Dieter Bohlen und Thomas Anders begrüßt, verschafft der Exministerpräsident sich Boulevard-Schlagzeilen. Doch sein neues Amt als Pop-Beauftragter des SPD-Parteivorstands trägt ihm vor allem Spott ein

aus Hannover JÜRGEN VOGES

„Ich bin nicht Pop-Beauftragter der CDU und auch nicht Pop-Diskurs-Beauftragter“, versicherte Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff gestern mit gespieltem Ernst. Da hatte sein Vorgänger Sigmar Gabriel bereits erste, zwiespältige Erfahrungen im neuen Amt als Popkultur-Beauftragter der deutschen Sozialdemokratie gemacht. Weil der niedersächsische Oppositionsführer das Ende des Popduos „Modern Talking“ begrüßt hatte, machte er gestern zwar bundesweit Boulevard-Schlagzeilen – doch sein CDU-Kontrahent Wulff bezeugte ihm nur Mitleid.

„In bestimmten Zeiten hätte ich es auch dem CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl zugetraut, mich in Abwesenheit zu so etwas zu machen,“ erinnerte sich Wulff. Jahrelang waren dem Parteipatriarchen Kohl die ewigen Kritteleien des jungen niedersächsischen CDU-Landeschefs auf die Nerven gegangen. Aber er glaube, so Wulffs letzte Bosheit, er hätte die Ernennung zum Pop-Parteibeauftragenten „dann doch noch abgewendet“.

Gabriel dagegen gibt sich von seiner Ernennung überwältigt – der Parteivorstand habe sie vor gut zwei Wochen in seiner Abwesenheit beschlossen. „Ich habe es am nächsten Tag aus der Zeitung erfahren“, versicherte der SPD-Fraktionsvorsitzende im niedersächsischen Landtag. Und ausschlagen wollte der Verlierer der Niedersachsenwahl die recht zweischneidige Ehrung dann doch nicht, wiewohl bei dem Titel etwas von Parteiclown mitschwingt. Das Ganze sei die Idee eines Mitarbeiters des SPD-Parteivorstands gewesen, der in Wahrheit wohl nur Popkonzerte umsonst besuchen wolle, bemühte sich Gabriel nach seiner Rückkehr von Mallorca um einen Scherz. „Es war nicht klar, dass es einen Beschluss und ein Amt geben würde.“

Den SPD-Parteivorsitzenden Gerhard Schröder dürfte es mit Genugtuung erfüllen, dass der starke Sigmar, der sich Mitte Dezember noch als Kanzlernachfolger ins Gespräch brachte, nun kleine Pop-Brötchen backt – und sich bereits Ärger einhandelte. So nannte er die Trennung von Thomas Anders und Dieter Bohlen „überfällig“. Schon als Ministerpräsident habe er verhindert, dass Dieter Bohlen das Bundesverdienstkreuz erhalten habe. Doch Modern-Talking-Fans sind zuweilen auch SPD-Wähler. Rund 8 Stunden später verschickte die SPD-Landtagsfraktion darum ein halbherziges Dementi. Gabriel habe die Trennung des Duos nicht begrüßt, sondern eine Journalistenfrage nur scherzhaft beantwortet. Im Übrigen sei sich der Fraktionschef sicher: „Dieter Bohlen hat Sinn für Ironie.“