„Nicht nur auf Öl setzen“

Erneuerbare Energien sind auch im Außenministerium ein Thema, sagt Staatsminister Günter Gloser. Im Mittelpunkt steht ein gewaltiges Solarprojekt in der Sahara, das Strom nach Europa liefern könnte

GÜNTER GLOSER, 58, ist seit 1969 SPD-Mitglied, seit 1994 MdB und seit November 2005 Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt.

INTERVIEW SARAH MESSINA
UND NICK REIMER

taz: Herr Staatsminister, im August standen russische Panzer an einer der wichtigsten Energieversorgungstraßen der EU – an der Ölpipeline BTC vom aserbaidschanischen Baku über Tiflis ins türkische Ceyhan. Können Sie noch ruhig schlafen?

Günter Gloser: Wir können in Hinblick auf Russland auf mehr als 30 Jahre stabile Energiebeziehungen zurückblicken. Aber wir brauchen neben weiteren Partnern natürlich auch eine Diversifizierung der Energieversorgung: Für die Zukunft ist wichtig, nicht nur auf fossile Stoffe wie Öl oder Gas zu setzen, sondern auch auf erneuerbare Energien.

Das Auswärtige Amt befasst sich mit Solarenergie?

Ja, und zwar sehr aktiv. Die von Deutschland eingebrachte Solarplaninitiative wurde von Frankreich schnell akzeptiert, mittlerweile ist das Projekt einer der zentralen Punkte der Union für das Mittelmeer.

Was besagt diese Initiative?

In den Ländern des Sonnengürtels gibt es nicht nur Flächen und Möglichkeiten, sondern auch die Notwendigkeit, Energie zu produzieren. Länder wie Tunesien oder Marokko sind abhängig von fossilen Energieimporten, obwohl sie reich an regenerativen Energiequellen sind. Über Jahre hinweg wurde über die Zusammenarbeit von Süden und Norden gesprochen, jetzt werden wir konkret: Die Technik und das Wissen des Nordens lassen sich auch auf den Süden übertragen, wo zudem die benötigten Flächen verfügbar sind. Ziel ist, so viel Energie zu produzieren, dass sie sowohl für den Süden ausreicht als auch für den Norden.

Wie sieht das praktisch aus?

Es gab bereits Treffen zur Vorbereitung zwischen Deutschland, Frankreich und Ägypten, einen Workshop in Berlin und eine Konferenz in Paris zur Erarbeitung eines Masterplans. Die Institutionen dafür entstehen gerade, etwa ein Generalsekretariat für die Union für das Mittelmeer.

Wann könnte der erste solare Strom aus der Sahara ins deutsche Netz eingespeist werden?

Ziel ist es, im Jahr 2020 insgesamt 20 Gigawatt Leistung in solarthermischen Kraftwerken in Nordafrika installiert zu haben (Anmerkung der Redaktion: Das entspräche der kombinierten Leistung aller deutschen Atomkraftwerke). Wir hoffen, dass ab 2020 auch Energie aus dem Süden nach Europa geleitet werden kann, auch wenn es vor allem um die Energieversorgung der dortigen Länder geht. Die Anlagen in Andalusien zeigen, dass es mittlerweile die nötigen Techniken gibt, um Solarenergie auch speichern zu können. Jetzt brauchen wir nur noch verlustärmere Leitungstechnologien.

Milliardeninvestitionen sind notwendig. Wie soll das Projekt finanziert werden?

Erstens gibt es die Förderung der Europäischen Investitionsbank. Zweitens müssen die Länder selbst natürlich Mittel bereitstellen, und ohne Privatinvestitionen wird es auch nicht funktionieren. Denkbar ist auch, dass bilateral Gelder zur Verfügung gestellt werden. Andere Geldgeber, etwa durch Partnerschaften mit Golfstaaten, werden ebenfalls eine Rolle spielen.

Warum sollten die reichen Ölländer eine solare Konkurrenz finanzieren – noch dazu auf einem anderen Kontinent?

Wie Sie wissen, wird das Öl nicht mehr, sondern weniger – selbst wenn unter Umständen noch weitere Quellen erschlossen werden könnten. Ölproduzierende Länder können länger von ihrem Rohstoff zehren, wenn sie den Ausbau erneuerbarer Energien begleiten. Die Golfstaaten etwa ziehen ihre Gewinne längst nicht mehr nur durch die Erdölförderung, sondern dadurch, dass sie Finanzdienstleistungsplätze geworden sind. Mit Beteiligungen an Gesellschaften, die sich erneuerbaren Energien wie solarthermischen Anlagen widmen, könnten sich dieses Staaten ein drittes Standbein schaffen.