liveberichterstattung aus spandau
: Wenn die Elfen singen

Die Färöer Szene in Berlin

Um es gleich vorwegzunehmen. Weder wurden am Mittwochabend Schafe durch die Reihen getrieben, noch stürmte eine Windböe atlantischen Ursprungs über die Freiluftbühne. Selbst das Quecksilber scherte sich nicht ums färöerübliche Limit von 11 Grad Celsius, sondern reckte und streckte sich, wie man das halt so tut, wenn es Sommer ist, zumal in Spandau bei Berlin. Nur die Elfen, die gab es wirklich. Und Rudi Völlers Resterampe. Spandau ist nämlich nicht nur multikulturell, sondern liegt, nordwestlich von Berlin, schon fast auf halbem Wege nach Torshaven.

Bis nach New York muss sich das herumgesprochen haben. Dort noch hatte am Dienstag „Yggdrasil“ einen unvergessenen Auftritt. Drei Länder, drei Tage, vier Gigs, das mag man einer Färöer Band gar nicht zutrauen, so beschaulich geht es bei denen zu in Streymoy, Eysturoy, Nolsoy und wie die Schafsinseln alle heißen. Doch der Inselsound, irgendwo zwischen Irish Folk, Elfenpop und Freejazz, hat es nicht nur dem Big Apple angetan, sondern auch der Haupstadt der deutschen Färöer Szene.

Kein Wunder, dass Kristian und Mikael Blak, Heoin Ziska Davidsen, Angelika Nielsen und Brandur Jacobsen aus New York zum nächsten Gig nach Spandau kamen, zumal es dort noch eine Zugabe gab, das Fußballländerspiel Färöer gegen Deutschland auf Großbildleinwand.

Schon gegen 19 Uhr waren die Zuschauerreihen so dicht besiedelt wie die 18 Inseln mit ihren 47.120 Einwohnern. Auf der Bühne entlockte Angelika Nielsen ihrer Geige Töne, die hat im Spandauer Forst noch keiner gehört, nicht einmal die Amsel auf dem Ahornbaum, die vor lauter Neid für so viel Blondes fast das Singen vergaß. Dann wieder ging es lustig zu, als wäre vor der Zitadelle gerade ein Rumfass gestrandet. Wo Regen und Wind ein ständiger Begleiter sind, muss man sich manchmal warm spielen, das haben bald auch jene im Publikum verstanden, die noch immer nicht wissen, wie man das denn nun spricht, ob mit ä und ö, mit Inseln oder ohne.

Doch die waren sowieso in der Minderheit. Nach Spandau war am Mittwoch nicht nur die gesamte Färinger Community der Hauptstadt gekommen, sondern auch Kerstin Blodig, was Yggdrasil-Bandleader Kristian Blak durchaus zu schätzen wusste. „60.000 Menschen auf den Färöern und darüber hinaus sprechen noch Färingisch“, klagte er ein bisschen, „doch mit Kerstin Blodig sind es 60.000 und eine.“ Die Sängerin ließ sich nicht lange bitten und verlieh alsbald zwei Stücken ihre Stimme, von denen eines „Freitagabend“ hieß. „Freitagabend geht auf den Färöern manches schief“, hatte Blak das Stück zuvor angekündigt. „Aber heute ist ja Mittwoch, und vielleicht haben wir da sogar im Fußball eine Chance.“

Und so drückten sie die Daumen, die 6.000 in Törhavn und die 60 in Spandau und hofften inständig, dass der Respekt vor ehrlicher Arbeit auch auf Kahn und Co. nicht ohne Wirkung bleibt, auch wenn das Spiel der Färöer Elf mit dem der Elfen nur wenig gemein hatte. Und siehe da, so viel Respekt steckte an, vor Freddi Bobic, der vor dem Kasten von Mikkelsen mehrfach den Faust gab: „Da steh ich nur, ich armer Thor und such’ das Tor wie nie zuvor.“

90 Minuten dauerte dies zweite Konzert in der Freilichtbühne, da packten Kristian und Mikael, Heoin und Ziska, Angelika und Brandur ein viertes Mal in drei Tagen ihre Sachen zusammen. „Morgen in aller Herrgottsfrüh fliegen wir wieder auf die Färöer“, sagte Kristian Blak am Ende. Er sagte es ohne jeden Ton von Trauer in der Stimme. Dabei hatten die Färöer in der Nachspielzeit – just in dem Moment, als es in Torhavn angefangen hatte zu regnen – ihre große Chance verspielt.

Ein Unentschieden gegen den Vizeweltmeister, das wusste auch Blak, und die Inselgruppe hätte zwölf neue Bewohner gehabt. Kahn als Krabbenfischer, Völler als Küchenchef und Ramelow als Schafzüchter – das wär fast so schön gewesen wie der Elfengesang in Spandau. UWE RADA

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