Sozialdemokraten falsch verbunden

Die SPD in Gladbeck ist zerstritten und blockiert sich mit einem Skandal um ein abgehörtes Telefongespräch seit Jahren selbst. Der vom Amtsverlust bedrohte Fraktionsvorsitzende ruft die Landesschiedskommission zur Hilfe.

GLADBECK taz ■ Der SPD-Fraktionsvorsitzende Ulrich Klabuhn und zwei Parteifreunde sind vom SPD-Unterbezirk Recklinghausen angeklagt, den ehemaligen Stadtverbandsvorsitzenden Johann Komarnicki vor zwei Jahren auf unsolidarische Weise zum Rücktritt gedrängt zu haben. Während sie nun die Landesschiedskommission zur Hilfe rufen, verschärft sich der Konflikt mit dem Unterbezirk und Gladbecker Parteigenossen.

Klabuhn und acht seiner Parteifreunde hatten vor zwei Jahren Komarnicki vorgeworfen, von einem arbeitslosen Parteimitglied Geld für die Vermittlung eines Arbeitsplatzes verlangt zu haben. Sie belauschten ein Telefonat zwischen Komarnicki und dem Betroffenen und wollten mit dem verfassten Gesprächsprotokoll Druck auf ihn ausüben. Eigentlich sollte die Öffentlichkeit nichts erfahren, doch das Protoll wurde der Presse zugespielt. So leitete der Unterbezirk ein Parteiordnungsverfahren gegen Komarnicki ein, um die Vorwürfe zu untersuchen. Gleichzeitig sollte das Verhalten der neun Abhörer in einem Verfahren geprüft werden.

Nun kam die Schiedskommission nach zwei Jahren zu ihrem Urteil gegen drei der neun Genossen: Fraktionsvorsitzender Ulrich Klabuhn und Ortsvorsitzender Wolfgang Wedekind sollen ihre Parteifunktionen 12 Monate ruhen lassen. Nur eine Rüge erhält der DGB-Ortsvorsitzende Hans Karwig. Komarnicki kam Ende 2002 mit einer Rüge davon und trat 2003 von seinem Amt zurück und aus der SPD aus, bevor die zur Revision angerufene Landesschiedskommssion ein Urteil fällen konnte.

Dagegen hätten Klabuhn und Co. einen privaten Konflikt genutzt, um Komarnicki zum Rücktritt zu zwingen, urteilt die Unterbezirkskommission. „Mit ihrem Verhalten haben die Drei gegen den Grundsatz der Solidarität innerhalb der SPD gehandelt“, begründet Andreas Müglich, Vorsitzender der Kommission das Urteil. Klabuhn will die Entscheidung nicht akzeptieren. Der Spruch gehe von einem absurden Solidaritätsbegriff aus. Auch Wedekind wehrt sich gegen das Urteil: „Wir haben uns auf die Seite des einfachen, arbeitslosen Parteimitgliedes gestellt und nicht auf die des reichen Unternehmers in hoher Parteifunktion, der ihn erpresst hat.“ Ein umgekehrtes Verhalten einzufordern, sei eine Verdrehung der Solidaritätsgrundsätze der SPD. „Außerdem hatten wir kein faires Verfahren und hoffen deshalb auf die Landesschiedskommission“, sagt Wedekind.

Jochen Welt, Vorsitzender der Kreis-SPD, glaubt an eine Beruhigung in Gladbeck: „Wir hoffen, dass wir uns nun wieder der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner widmen können.“ Ulrich Klabuhn erteilt ihm eine Absage: „Wenn Jochen Welt meint, nach dem Spruch seiner Unterbezirksschiedskommission zur Tagesordnung übergehen zu können, irrt er sich.“ Böses Blut gibt es nicht nur zwischen Stadt- und Kreisebene. Auch in Gladbeck sieht Wedekind einen politischen Feldzug gegen sich und andere Arbeitnehmer-orientierte SPD-Mitglieder: „Obwohl sich die Landeskommission noch gar nicht mit unserem Fall beschäftigt hat, wurden Ulrich Klabuhn und ich in der Sitzung des Stadtverbandes am Donnerstag schon aufgefordert, zurückzutreten.“ TIMO NOWACK