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Abschiebebock wird Integrationsgärtner

Nach Kehrtwende im Vermittlungsausschuss zum Zuwanderungsgesetz soll Eingliederungshilfe schrumpfen und Verantwortung für Sprachkurse bei der Hamburger Innenbehörde liegen. Das kritisiert sogar die Handelskammer

„Mit dem Kippen des Rechtsanspruchs auf Integration wird das Ziel des Gesetzes ad absurdum geführt“

von Eva Weikert

Das Echo ist donnernd: Von „Abwehrgesetz“ und „Zerpflückung“, von „totalem Dissens“ und „Katastrophe“ ist die Rede. Sogar die Handelskammer, kein Ort von Multikulti, rümpft die Nase. Der Anlass für die Empörung kommt aus Berlin, wo SPD und Union eine Kehrtwende in den Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz vollzogen haben. Sie wollen den geplanten Anspruch auf Sprachkurse für MigrantInnen aus dem Regelwerk streichen. „Das ist inakzeptabel“, rügt Hamburgs GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch, „Sprache ist die Grundlage für Integration.“

Aber von vorne: Wie jetzt bekannt wurde, hat sich der Vermittlungsausschuss aus SPD und Union darauf geeinigt, den im rot-grünen Zuwanderungsgesetz avisierten Rechtsanspruch auf Integration zu streichen. Begründung: Dafür ist kein Geld da. Mit der Streichung des Rechtsanspruches entledigt sich der Staat der Pflicht, ein entsprechendes Angebot an Sprachkursen und anderen Hilfen – etwa zur gesellschaftlichen und beruflichen Orientierung – zu stellen und zu bezahlen. Weiteres Novum: Was an Integrationshilfen noch übrig bleibt, sollen künftig die Ausländerbehörden verteilen.

Mit Unverständnis reagiert Nebahat Güclü, migrationspolitische Sprecherin der GAL-Bürgerschaftsfraktion, auf die Demontage: „Damit wird das Ziel eines Zuwanderungsgesetzes ad absurdum geführt.“ Der Entwurf gehe ohne den Rechtsanspruch auf Integration nicht mehr über das geltende Ausländerrecht hinaus. „Da bleibt nichts mehr übrig“, rügt auch Fraktionschefin Goetsch und betont: „Die Grünen sind darüber im absoluten Dissens mit der SPD.“ Eine Einigung der Bundeskoalition über das Zuwanderungsgesetz sei darum „extrem gefährdet“. Den Plan, die bisher behördenübergreifende Vergabe von Sprachkursen allein den im Innenressort angesiedelten Ausländerbehörden zu überlassen, lehnt die GALierin strikt ab: „Da machen sie den Bock zum Gärtner.“ So sehe das Innenressort MigrantInnen zuvörderst als ordnungspolitisches Problem.

„Migrantenbelange in die Innenbehörde zu verlagern, ist falsch“, sagt auch Ursula Neumann. Damit würden Ausländer „prinzipiell verdächtigt, Böses zu tun“, so Hamburgs frühere Ausländerbeauftragte. Die Ausländerbehörde sei gar nicht qualifiziert, über Art und Maß der benötigten Integrationshilfen zu entscheiden. Zugleich gebe es ohnehin schon jetzt zu wenig Sprachkurse. Das Zuwanderungsgesetz verkümmere ohne den versprochenen Rechtsanspruchs zum „reinen Abwehrgesetz“, kritisiert die Professorin an der Arbeitsstelle Interkulturelle Bildung der Uni. „Angesichts des dramatischen Bevölkerungsrückgangs ist diese Abwehrpolitik äußerst widersprüchlich.“

Die Handelskammer denkt ähnlich. Hamburg sei nach dem Prinzip der wachsenden Stadt auf „qualifizierte Zuwanderungen“ angewiesen, so Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz. Dazu sei ein Gesetz nötig, das Integration erleichtere sowie ein „entsprechendes Angebot an Sprachkursen“ biete. „Wir wollen und müssen Sprachkurse haben“, sagt auch CDU-Migrationspolitikerin Bettina Machaczek, lobt aber im selben Atemzug das Kippen des Rechtsanspruchs: „Wenn man das Geld dafür nicht hat, darf man das auch nicht anbieten.“

Anders sieht das Pastorin Fanny Dethloff. Es müsse vielmehr in die „defizitären“ Integrationshilfen investiert und „interkulturelles Potenzial ökonomisch genutzt werden“, mahnt die Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche. Alles andere sei „rückwärtsgewandt und verbaut die Zukunft unseres Landes“.

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