Spaziergang mit Hindernissen

Die Bremerin Lea Finn startete 2003 als neue deutsche Pop-Hoffnung und tourte mit Bryan Adams. 2004 ist ihr Plattenvertrag aufgelöst und statt internationalem Ruhm gibt’s im Radio den „Vier Gefühl“-Song. Beirren lässt sich die 22-jährige davon nicht

Authentisch, weil von nebenan: Lea Finn soll eine Mainstream-Alternative zum Mainstream darstellen. Ein gescheitertes Vorhaben?

„Hallo Lea!“ – „Ja?“ – „Ich kenn’ dich, aus der Zeitung!“ sagt ein Passant auf der Straße, wendet sich ab und geht seiner Wege – still triumphierend. Lea Finn ist 22, Bremerin und Popsängerin. In anderen Städten passiere ihr das noch nicht, sagt sie. Doch in Bremen scheinen sie alle zu kennen. Es ist ein Phänomen dieser kleinen Großstadt, dass ein junges Mädchen mit einem Programm voller Radiopop zum Maskottchen wird. Sie singt den „Vier-Gefühl“-Song von Radio Bremen Vier, posiert mit Werder-Trainer Thomas Schaaf und Innensenator Thomas Röwekamp für Kampagnen vor Kameras oder geht einfach nur um den Pudding spazieren und erfreut mit frühlingsfrischem Lächeln das Volk.

Letztes Jahr wurde sie als neue deutsche Pop-Hoffnung gehandelt, heute hat sie keinen Vertrag mehr. Der Deal mit der Plattenfirma Edel Records wurde aufgelöst, „in beiderseitigem Einverständnis“, so Lea Finn. Geld sei aber auch einfach Mangelware im Musikbusiness, sagt sie, die Raubbrennerei falle schwer ins Gewicht. Drei Alben sollte sie ursprünglich bei Edel veröffentlichen. Geblieben ist es bei einem, „One Million Songs“ vom letzten Jahr.

Obwohl vieles so aussieht, als neige sich ihre Musik-Karriere einem vorzeitigen Ende (Alternative: Studium wieder aufnehmen), lässt sich Lea Finn nicht beirren. Sie singt unverdrossen weiter, geht auf Tournee. Der Unterschied zum Vorjahr: Sie begleitet nicht Bryan Adams auf Europa-Tour, sondern bereist mit einem Festival des Radiosenders Jump Deutschlands Osten. Start ist Görlitz am 1.Mai, und dann kommen noch unvorstellbare 30 Termine, zusammen mit Altstars und neueren Sternen.

Auch ihre nächste Single „Beautiful Day“ ist schon im Kasten, das zweite Album folgt so Gott will noch dieses Jahr. Die Aufnahmen werden bezahlt vom MDR, der im Rahmen der Förderung deutscher Nachwuchskünstler auch der Bremerin unter die Arme greift. „Besser als Deutschquote im Radio“, findet sie. Und singt alle ihre Songs auf englisch. Warum? „Deutsch klingt unglaublich schnell nach Schlager. Und ausdrücken kann ich meine Gefühle besser im Englischen.“

Zwei Songs des Debüts hat Lea Finn selbst geschrieben, auf dem nächsten sollen es mehr sein. Hervortun möchte sie sich mit Texten, nicht mit Tunes. Ihr Image „Singer/Songwriter“ hält sie selbst für überzogen, sie sei eine Interpretin, sagt sie, eine gute.

Angefangen hat Finn schon früh, Vorbilder waren wichtig. Mit 15 vergöttert sie Alanis Morissette, danach singt sie in einer Nirvana-Coverband. Kurze Zeit später wählt sie das Kuschelrock-Magazin zur „Kuschelstimme des Jahres“ 1997, dann folgen Funk-Bands,Chansons aus den 1920er Jahren und Germanistik-Studium.

Als Finn 2002 den Contest „Bremen live“ gewinnt und Edel Records auf ihr Demo aufmerksam wird, geht alles ganz schnell. Aufnahme, Marketing, Zeitdruck, Tour: „Ich bin froh, nicht alles selbst machen zu müssen“, sagt sie. Fast so schnell ist das alles auch wieder vorbei, doch jetzt hat Finn das Gefühl, sich ganz auf ihre Musik konzentrieren zu können. „Viel kreativer, viel freier“ fühlt sie sich jetzt.

Endlich keine Repräsentationspflichten mehr, keine Imagepflege und kein Markendasein? Nein, weit gefehlt. Das Pop-Geschäft hat sie nie so empfunden. „Das bin ich, das ist meine Musik“, sagt sie. Entwaffnend einfach, aber man glaubt es ihr. Sie ist all das, was ihre Marke verspricht. Allein das Booklet der letzten CD ist mit schwarzweißen Fotografien, nachdenklichem Blick zur Seite, handschriftlichen Titeln und Texten ein wahres Authentizitätsbündel. Danach sehnen sich die Kids.

Finns Album „One Million Songs“ zeigt eine deutliche Nähe zu dem Plastikpop, den man aus den Charts kennt. Hundertprozentige Deckungsgleichheit aber ist nicht angepeilt: Hinsichtlich des Marketings soll Finn eine Mainstream-Alternative zum Mainstream darstellen. Ein gescheitertes Vorhaben?

Wahr ist: Aus Sicht der Betriebswirtschaftler bei Edel-Records lief der Verkauf des Album nicht so, wie erhofft. Zu wenig Profil habe sie bestimmt nicht, sagt Lea Finn. Im Gegenteil: Sie wäre gerne „Vorbild für andere deutsche Mädels“. Denn „Hintergrund in den Texten, Anspruch an die Musik“ finde man nicht überall. „Viel greifbarer“ als andere sei sie auch, eben weil sie aus Bremen kommt. Und sie sieht nicht nur aus wie das Mädchen von der Ecke nebenan, sie wohnt auch dort. In Bremen ist sie nach wie vor gerne, Freunde und Familie sind hier. Wenn sie nicht auf Tour mitreisen.

Dass bis jetzt nicht alles nach Wunsch geklappt hat, nimmt Finn auf die leichte Schulter. Waren ja auch nicht alles ihre Wünsche. Und Kraft für neue Anlaufversuche hat sie reichlich. Zumal sie vieles gerne noch ausprobieren würde: Jazz, Rock, Balladen, deutsche Texte, zählt sie auf. Und, macht sie’s auch? Vielleicht irgendwann, derzeit aber wolle sie ihre Fans nicht verschrecken. Da bleibt Lea Finn ganz Lea Finn.

Robert Best