Reserven reichen aus

Deutschland will Speicher weiter ausbauen, die Grünen fordern „konsequente Biogasstrategie“, die Union plädiert für Atomkraft

BERLIN taz ■ 37 Prozent des in Deutschland verbrauchten Gases kommen aus Russland. Und rund 80 Prozent davon strömen durch Transit-Pipelines, die auch über ukrainisches Staatsgebiet laufen. Sollte also der neue Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine plötzlich zum Druckabfall in den deutschen Röhren führen, weil die Ukrainer einfach das für Europa bestimmte Gas anzapfen, wird das Auswirkungen auf die hiesige Versorgung haben. Allerdings müssten der Streit und damit verbundene Lieferausfälle sich über Wochen hinziehen, bis der Verbraucher tatsächlich irgendetwas davon zu Hause merkt – wenn überhaupt.

Denn in Deutschland gibt es 46 unterirdische Gasspeicher, in denen knapp 20 Milliarden Kubikmeter des Brennstoffes gebunkert werden. Nach Angaben des Bundesverbandes der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft ist das ungefähr ein Viertel von dem, was Deutschland im ganzen Jahr 2007 verbraucht hat. Beim letzten Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine vor genau zwei Jahren hatte Bundeswirtschaftsminister Glos immer wieder darauf hingewiesen, dass die Reserven 75 Tage reichen würden. Auf so eine Prognose will sich die Branche nun aber nicht festlegen. Der Zeitraum hänge vor allem von der Witterung ab, sagte ein Verbandssprecher der taz.

Um künftig allerdings noch weniger anfällig zu sein für die Auswirkungen von Streitereien zwischen Russland und seinen westlichen Nachbarn, verfolgt Deutschland neben der Ostseepipeline verschiedene andere Strategien. Zunächst baut die Gaswirtschaft die Speicher weiter aus, 15 zusätzliche unterirdische Lagerstätten mit einer Gesamtkapazität von drei Milliarden Kubikmetern sind in Planung. Parallel dazu werden die Handelsbeziehungen mit anderen Lieferanten verstärkt. So wird der Anteil norwegischen Gases an der deutschen Energieversorgung von derzeit 26 Prozent auf 30 Prozent in den kommenden Jahren steigen. Zudem stehen die Niederlande bereit, um kurzfristig zusätzliches Erdgas zu liefern.

Obwohl die Lage also insgesamt noch entspannt ist, nutzt die Politik sie für ihre Argumente. Die Unionsfraktionsvize Katherina Reiche (CDU) sagte dem Onlinedienst des Handelsblatts, der Weg der SPD zu mehr Abhängigkeit von russischem Gas sei auch für Deutschland gefährlich. Deshalb müssten die deutschen Atomkraftwerke weiterbetrieben werden. Der Grünen-Energiepolitiker Hans-Josef Fell erklärte, mittelfristig werde „weder Russland noch sonst jemand alle Gaslieferwünsche erfüllen können“. Europa brauche daher endlich „eine konsequente Biogasstrategie, um auch in Zukunft bezahlbare Gaspreise und eine sichere Gasversorgung zu gewährleisten“.

STEPHAN KOSCH

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