Das Ende der Welt AG

Das Engagement bei Mitsubishi Motors hat sich für DaimerChrysler als Milliardengrab erwiesen

VON STEPHAN KOSCH
UND NIKOLAI FICHTNER

Das könnte der Anfang vom Ende der Welt AG sein. DaimlerChrysler will für die Sanierung des angeschlagenen Mitsubishi-Konzerns kein Geld mehr ausgeben. Ein schneller Verkauf der gesamten Beteiligung steht zwar nicht auf der Tagesordnung. Allerdings deutete Finanzvorstand Manfred Gentz gestern an, dass DaimlerChrysler seine 37 Prozent an dem japanischen Autobauer möglicherweise später verkaufen werde. „Wir müssen den Anteil nicht für immer behalten“, sagte er. Mit dieser Entscheidung hat die von DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp initiierte Strategie des weltumspannenden Konzerns einen herben Rückschlag erlitten. Auch Schrempp selbst ist angezählt.

Denn noch auf der Hauptversammlung vor gut zwei Wochen hatte der Vorstandsvorsitzende seinen Kurs gegen heftige Kritik der Aktionäre verteidigt und betont, dass ein „operatives Problem“ nicht die ganze Strategie infrage stelle. Das Problem, die anstehende Sanierung von Mitsubishi, die nach unbestätigten Berichten 5,5 Milliarden Euro kosten würde, sollte gelöst werden. Allerdings hatte Schrempp schon betont, dass der Konzern dafür „alle Optionen“ in Erwägung ziehen werde.

Möglicherweise ist Mitsubishi das Bauernopfer, das dem Vorstandsvositzenden noch einmal Luft für den ebenfalls noch nicht gelungenen Umschwung Chryslers in die Gewinnzone schafft. Angeblich hat Schrempp selbst dem Aufsichtsrat am Donnerstagabend in einer turbulenten Sitzung vorgeschlagen, Mitsubishi nicht weiter zu unterstützen. Die japanische Zeitung Nihon Keizai berichtete hingegen, dass die Initiative dazu von der Arbeitnehmervertretung des Stuttgarter Konzerns und dem Hauptaktionär Deutsche Bank ausgegangen sei. Diese Darstellung bestätigten Insider in Stuttgart der taz.

Doch egal ob Schrempp auf eigene Initiative zum Befreiungsschlag ausgeholt hat oder dazu gedrängt wurde – nun stehen auch die anderen Beteiligungen wieder zur Diskussion. Denn Mitsubishi ist nicht nur ein enger Partner beim Bau des neuen viersitzigen Smart oder in der Motorenproduktion. Der japanische Konzern ist auch ein entscheidender Baustein für den mit Daimler fusionierten US-Konzern Chrysler. Damit dieser tatsächlich langfristig Kosten spart, müssen gemeinsame Modelle und Plattformen entwickelt werden. Doch aus Angst vor Verwässerung mit der „Premiummarke“ Mercedes-Benz dürfen in die Autos mit dem Stern keine Chrysler-Teile eingebaut werden. Bei Mitsubishi wäre dies möglich.

Deshalb stehe nun schon die Frage im Raum, was aus Chrysler wird, sagte Ferdinand Dudenhöffer, Automobilexperte von der Fachholschule Gelsenkirchen, der taz. Man müsse sich fragen, ob ohne Mitsubishi eine Zusammenarbeit mit Chrysler noch tragfähig sei. Doch noch dramatischer sieht Dudenhöffer die Entscheidung für Mitsubishi Motors. Ohne die Finanzspritze sei der Konzern akut konkursgefährdet. 45.000 Arbeitplätze weltweit stehen auf dem Spiel.

Möglicherweise gibt es aber noch eine Chance. Denn Dudenhöffer schließt nicht aus, dass die Ankündigung nur ein Säbelrasseln ist, mit dem die anderen Gesellschafter von Mitsubishi unter Druck gesetzt werden sollen.

Falls sich DaimlerChrysler tatsächlich langfristig vom Traum der Welt AG verabschiedet, wäre bereits zum zweiten Mal ein groß angelegtes Expansionskonzept gescheitert. In den Achtzigerjahren wollte der damalige Vorstandsvorsitzende Edzard Reuter den Automobihersteller zu einem breit aufgestellten „integrierten Technologiekonzern“ machen. Doch der Kauf des Flugzeugherstellers Fokker, der Firmen AEG, MTU und des Rüstungskonzern MBB brachten Daimler Verluste in Milliardenhöhe.

Gegner der Welt AG arbeiten bereits an neuen Visionen für Daimler. Als „Mobilitätskonzern“ würde Daimler dann sein Geld weniger mit dem Bau von Autos als mit Dienstleistungen und vernetzten Mobilitätsangeboten für ganze Städte verdienen. Sollte Schrempp nun scheitern, könnte dies Scheitern für neue Konzepte Platz machen“, heißt es in der Stuttgarter Konzernzentrale.