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Anti-Athleten in OL

Das Oldenburger „Blauschimmel“-Atelier ist fünf Jahre alt geworden – und feiert sich mit einer „Helden“-Produktion

Odysseus sagt, dass er es ganz schön scheiße fand, nach Troja zu müssen

Die Frauen sind weg. In München sind sie, auf einem Kongress über „Weiblichkeitsideale der letzten 3.000 Jahre“. Da stehen sie also etwas verloren rum, die männlichen „Helden“ aus dem Oldenburger Blauschimmel-Atelier. Die neueste Theaterproduktion unter der Leitung von Steffi Becker ist eines von vielen kleinen Highlights im Festival „5 Jahre Blauschimmel-Atelier“.

Ein Kammerstück ist es geworden, und die Masken sind irgendwie bauchwärts gerutscht. Denn Cord Ostmann, Jan Mattenheimer und Gerrit Schultz brauchten ganz schnell einen Waschbrettbauch und dicke Brustmuckies, schließlich stehen sie als antike Statuen im Museum. Und fangen vor Langeweile an, miteinander zu spielen, denn: Die Frauen sind ja weg. Was machen echte Helden dann? Na klar, sie kämpfen und ziehen in den Krieg. Aber beim Spielen stört die Männerrüstung, also wird die kurzerhand mal weggehängt.

Prompt werden diese Helden der mykenischen Epoche über Lautsprecher zum Fitnesstraining gebeten, Waldlauf, Liegestütz, das ganze Adonis-Programm. Und Odysseus sagt, dass er das ganz schön scheiße fand, nach Troja zu müssen und seine geliebte Penelope allein zu lassen.

So erzählt jeder seine Geschichte: Paris von seiner Begegnung mit der schönen Helena, Achilleus – der griechische Siegfried – von seinem Kampf mit dem Bären, der hier ein wehrhafter Klappstuhl ist. Und weil Achill eben immer der Stärkere sein muss, haut er sich auch mit dem schönen Paris eins auf die Mütze.

Es ist schon umwerfend und absurd komisch, wenn diese Antiathleten sich in Pose schmeißen und durch das Labyrinth der griechischen Mythologie schlingernd gängigen Männlichkeitssupermannbildern an die Wurzeln gehen. Um sie ironisch zu konterkarieren: „Du kannst auch, was ich tue, denn ich bin bloß ’ne Statue“. Doch schon ertönt der Gong, das Museum wird geöffnet, und schnell müssen die Posen wieder gefunden werden. Halt, da fehlte was: Die Muskeltorsi hängen noch an der Wand ... zu spät. Flugs also wird der wahre Body entkleidet, und da stehen sie, wahre Helden, halb entblößt, der eine dicker, der andere dünner – Männer eben, so wie sie sind.

Marijke Gerwin

Nächste Aufführung: Sonntag (15. 6.) in der Oldenburger Kulturetage. Weitere Festival-Termine: 20./21. Juni: „Die Lust am Scheitern“ mit dem Theater HORA aus der Schweiz. 6. Juli: „Liebesgesänge unterm Rasensprenger“, 9. Juli: „Die Webprinzessin Orchimé und der Hirtenjunge Hikoboshi“. Karten und Infos unter ☎ (0441) 24 80 999

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