Stopp dem Blümchen-Sex

Es summt nicht mehr: Ganze Bienen-Völker sind in Bremen einer hinterhältigen Milbe zum Opfer gefallen. Varroa Destructor bringt nicht nur die Imker in Bredouille. Den Blüten fehlen die Sex-Gehilfinnen

Lüstern wackelt sie mit ihren Staubgefäßen, reckt den zarten Stempel empor – aber niemand hört ihr Flehen. Unbefruchtet wird die sexhungrige Apfelbaumblüte am Baum verdorren. Wie ihr geht es derzeit Millionen von Obstblüten. Kaum ein Bienchen lässt sich auf ihnen nieder, versenkt ihren Rüssel tief ins Blüteninnere, um dort süßen Nektar zu schlürfen und dabei Blütenpollen an ihren Beinchen mitzunehmen – den sie an den erigierten Stempeln anderer Blüten dann wieder abstreift. Nur hin und wieder plumpst eine schwerfällige Hummel auf die Blüte, oder es umweht sie ein Himmelshauch, der zwar den Pollen in alle Winde verstreut – doch nicht unbedingt zur nächsten Blüte treibt. Was in diesem Jahr mancherorts fehlt, sind die Massen von Honigbienen, die sich mit zartrosaweißen Apfelblüten ein Stelldichein geben. Und kein Sex im Baum heißt: keine Äpfel.

Imker haben die Hauptschuldige bereits gefunden: Varroa Destructor heißt die eingeschleppte Milbe, die in jedem Jahr einen Teil der summenden Population vernichtet. In diesem Jahr soll sie besonders stark wüten: „Ein Drittel aller Bienenvölker in Deutschland hinweggerafft“ meldete der Spiegel.

Auch Bremer Imker beklagen Verluste. Der Vorsitzende der hiesigen Imker-Vereinigung, Dieter Rudolph, brachte selbst alle seine Völker durch den Winter. Er weiß aber von Kollegen in seinem Verein „Bremen von 1875“, denen die Hälfte ihrer Bienen eingegangen sind. „So extrem war das noch nie“, sagt er. Und längst nicht alle Imker melden den Tod ihrer Bienen: „Die genieren sich.“ Ihre Sorge: Dass sie selbst am Massensterben schuld sind, weil sie zu spät oder gar nichts gegen die Meuchel-Milbe unternommen oder auf die falschen Gifte gesetzt haben – auf Gifte nämlich, gegen die Varroa Destructor längst immun ist. Rudolph verwendet seit drei Jahren Ameisensäure – mit Erfolg.

„Man muss permanent behandeln“, sagt auch Wilhelm Wilms, Vorsitzender des Imker-Vereins „Bremen-Blumenthal von 1887“. Ob mit Chemie, Rhabarberblättern oder Walnuss-Öl: „Ich warte noch darauf, dass jemand kommt, der die Bienen bespricht.“ Aber selbst das hätte einigen Völkern nichts geholfen, denn Wilms glaubt nicht, dass die bösartige Milbe für alles verantwortlich ist. Schuld sei auch das Wetter. Der letzte Sommer war so verregnet, dass die Lindenblüten-Tracht komplett ausgefallen sei. „Und wer nichts zu fressen hat, der kann auch nicht arbeiten“, sagt Wilms. So sei ein Teil der Larven unversorgt geblieben. Danach brach auch noch der harte Winter auf die ohnehin schon geschwächten Bienenvölker herein – die Milbe gab ihnen den Rest. Auch in Wilms Verein sieht es düster aus. „60 aktive Mitglieder haben wir, 30 davon haben Völker verloren, manche sogar alle.“ Ihm blieben von 33 nur 18. Doch neue Völker sind schwer zu bekommen. „Die sind momentan ’n büschen knapp“, bestätigt Wilms. Der Grund: Alle Bienenhalter wollen das Wenige behalten, was ihnen geblieben ist.

Doch trotz massenhaften Bienensterbens: keine Panik. Die Sache mit den Blumen und den Bienen und dem Sex kann man auch anders lösen: Selber machen! „Sie können mit einem Pinsel von Baum zu Baum springen“, sagt der Leiter des Lehr- und Versuchsgartens der Bremer Gartenfreunde, Günter Diercksen. Zu umständlich? Dann eben Äpfel kaufen.        Eiken Bruhn