Verkörperte Friedensbemühung

Eine kleine Geschichte vom jüdisch-muslimischen Dialog in Bremen – und von der Diskussion um den Nahostkonflikt, der einer Schulklasse einen Preis bescherte. Mit dabei: ein Vertreter der umstrittenen Fatih-Moschee und der jüdischen Gemeinde

Aus Bremen Eva Rhode

An der Schultür draußen steht groß „Schule ohne Rassismus.“ Drinnen, vor der Klasse 10t des Bremer Schulzentrums Findorff, verkörpern der Jude Livio Cornea und der Muslim Abdulkerim Sari höchst persönlich Völkerfreundschaft und Frieden. Ein letztes Mal, nachdem der zweite Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Cornea und der ehemalige Sprecher der muslimischen Fatih-Moschee Sari den SchülerInnen vor Monaten mit Beiträgen über das Leben der Muslime und Juden in Bremen einen Ausgangspunkt für deren Recherchen zur Gemeinschaftsarbeit „Nahostkonflikt“ geliefert hatten. Dafür ist die Klasse in dieser Woche von der Bundeszentrale für politische Bildung ausgezeichnet worden. Nun kamen die beiden Männer nun zu einer Art Feier zurück.

„Ihr wart cool!“

„Wir sind stolz auf euch“, strahlt Livio Cornea. Abdulkerim Sari fügt hinzu: „Ihr wart cool!“ 45 Minuten werden die beiden Vertreter der verschiedenen Glaubensrichtungen sich weiter nahtlos vor der Klasse ergänzen – in ihrer Kritik an der US-amerikanischen Nahostpolitik, aber auch mit ihren Mahnungen vor Antiamerikanismus. „Man muss die amerikanische Regierung kritisieren. Die Menschen darf man nicht über einen Kamm scheren. Das wäre ja rassistisch.“ Auch die Sorge um die Eskalation in Israel teilen die beiden – weil sie für den Weltfrieden bedrohlich ist. „Die Zahl der Araber, die einen Frieden wollen, wird immer geringer“, warnt Sari. Das werde überall spürbar. Cornea betont: „Die Israelis müssen lernen, sich als Staat zu verhalten.“ Das bedeute, das Völkerrecht und demokratische Grundsätze anzuerkennen. Politische Gegner einfach zu erschießen, sei verwerflich, antwortet Cornea auf eine Schülerfrage – als ein deutscher Jude „der Israel liebt“, aber der Politik dort sehr kritisch gegenüber steht.

„Man muss den Menschen zeigen, dass nicht alle Juden die israelische Politik verteidigen“, begründet Cornea, warum er gerne vor Schulkassen spricht. Man müsse trotz aller weltpolitischen Krisen Verallgemeinerung vermeiden. Und damit junge Menschen sehen, dass das funktionieren kann, besucht er mit Abdulkerim Sari immer wieder Bremer Schulen.

Schläge für Israels Politik

In einer Schule hat die Mission der beiden vor einem Jahr begonnen. Ungut. Ein jüdischer Schüler war von zwei muslimischen Jungen geschlagen worden, „weil die ihn für die Politik Israels verantwortlich gemacht haben“. Der Muslim Sari und der Jude Cornea haben der Schule gemeinsam einen Besuch abgestattet. „Wir hoffen, dadurch ein wenig bewegt zu haben“. Nichts widerstrebt dem 54-jährigen Juden und dem 33-jährigen Muslim so sehr wie Vorurteile.

Wohl auch deshalb arbeiten die beiden schon lange Jahre im jüdisch-muslimischen Arbeitskreis „Salam Shalom“ der jüdischen Gemeinde und Bremens größter und dialogfreudigster Gemeinde der Fatih-Moschee zusammen. Auf die vielfachen Extremismus-Vorwürfe insbesondere seitens der Bremer CDU an die Moschee, in der die strengreligiöse Islamische Gemeinschaft Milli Görüs regiert, geben beide nichts. „Man diskreditiert Muslime, wenn man sie in einen Topf wirft“, sagt Cornea, von Beruf Polizist. Vor dem Islamismus und seinen religiös begründeten Gewalttaten fürchteten sich auch viele Muslime. Abdulkerim Sari nickt und ergänzt: Überhaupt gebe es zwischen der jüdischen und den muslimischen Gemeinden „überraschend viele Gemeinsamkeiten“. Beide Gemeinden präge eine in Deutschland immer seltener werdende Religiosität – und beide vertreten Minderheiten, deren Alltag vielfach durch Einwanderung bestimmt ist.