Im All verrecken

Andreas Knebelmanns Diplominszenierung “wann kommst du zurück“ auf Kampnagel inszeniert den eiskalten staatlichen Mord an Kosmonauten

von Katrin Jäger

Es donnert, knallt und brummt aus den Lautsprechern, der Bass lässt die Zuschauersitze vibrieren: Das Raumschiff landet so, sinnlich spürbar für alle im Kampnagelsaal, auf dem Mars. Mit ihm der russische Kosmonaut Viktor Krisemarov (Lajos Talamonti), sichtbar auf Monitoren, im futuristisch anmutenden 60er Jahre-Musiktruhendesign vor den Sitzreihen installiert.

In seiner Abschlussinszenierung wann kommst du zurück erzählt der damit nun von der Universität Hamburg diplomierte Schauspieltheater-Regisseur Andreas Knebelmann die Geschichte vom einsamen Mann auf dem roten Planeten. In deren Subtext schwingt die universelle Farce von der Konstruktion des Helden und dessen Verheizung, für das Ansehen eines Staates – hier der Sowjetunion. Oder doch des postsozialistischen Russland?

Generalleutnant Flugleiter (Thomas Butteweg) jedenfalls zeigt in seiner Zackigkeit enorme Ähnlichkeit mit Wladimir Putin. Er legt, sich von seinem Chef-Schreibtisch lösend, ein paar gymnastische Übungen hin. Lächerlich in seiner Ernsthaftigkeit und dem Eifer, sowohl seinen Kosmonauten auf dem Bildschirm zu Liegestützen zu bewegen, als auch dessen Ehefrau Mira (Katerina Poladjan) zu rhythmischer Sportgymnastik zu animieren. Sie zitiert er regelmäßig in seine Machtzentrale, damit sie mit ihrem Gatten telefoniere. Nur eine Wand aus weißen Jalousien trennt sie vom Büro des Flugleutnants.

Die Wirkung dieses schlichten Set-ups von Philip Nicolai ist bestechend. Der Machthaber wirkt durch die Jalousieschlitze unerreichbar. Mira und Viktor müssen heile Welt spielen. Erfrischend komisch, gepaart mit dem nötigen Schuss Tragik, versucht Mira dennoch persönlich zu werden: „Unser Hund ist vergangene Woche gestorben.“ Viktor reißt die Augen auf, der Generalleutnant feuert einen bitterbösen Blick ab. „Aber er ist schön gestorben“, setzt sie schnell hinzu. Schön schräg, tragisch absurd, und durchgängig überzeugende Dialoge. Die sechsköpfige Kapelle „Internationaler Wettbewerb“ startet derweil auf Fingerzeig des Generalleutnants immer dann einen Russen-Swing, wenn das Gespräch zwischen Mira und Viktor persönlich oder gar problematisch wird.

Der Traum des Kosmonauten vom Heldendasein bröckelt allerdings, als er an der Mars-Ödnis verzweifelt, als er auf Geheiß seines Chefs die so genannte „Lenin-Rille“ entlangfahren muss, als ihn seine Lebensmitteldosen anekeln. Im Gefängnis hockt er, Instrument eines Staats, der mit dieser Mission nichts anderes vorhat, als sich als „Weltmacht“ zu profilieren. Der Kosmonaut rebelliert, wirft sich ins grüne Kleid, legt Lippenstift auf. Vergebens. Denn er soll sowieso oben bleiben. „Ein toter Held strahlt auf ewig“, im Gegensatz zu einem, der später eventuell von seiner roten Hölle plaudern könnte.

Einen Teil seiner sprachlichen Dichte erreicht das Stück über Motive aus dem Roman Omon hinterm Mond des russischen Schriftstellers Wiktor Pelewin. Auch Äußerungen Jurij Gagarins sind zu finden. Dieses ersten Manns im All, der nach seiner gefeierten Rückkehr in seine sowjetische Heimat auf mysteriöse Weise ums Leben kann.

Knebelmanns Inszenierung des Mordes weist somit ins wirkliche Leben. Sie kritisiert Weltraumprojekte als prestigeorientiert und wenn nötig über Leichen gehend. Und als der Kosmonaut auf Nimmerwiedersehen aus dem Monitorbild schleicht, erwacht die Erinnerung an den Absturz der Columbia.

nächste Vorstellung: 27.4., 19.30 Uhr, Kampnagel