Die Vizeburger

Ein 30:28-Erfolg im Rückspiel des Finales reicht der SG Flensburg-Handewitt nicht, um Celje den Champions-League-Titel zu entreißen

AUS FLENSBURG OKE GÖTTLICH

Es war der schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis kaum anzumerken, wie schwer es ihr fiel, die Trophäe nicht an die SG Flensburg-Handewitt überreichen zu dürfen. Vielleicht wird wenigstens sie es trösten, mit der Übergabe des Pokals an den neuen Champions-League-Sieger Celje Pivovarna Lasko einen kleinen sportpolitischen Akt vollzogen zu haben – die Flensburger Handballer sicherlich nicht. Anfang Mai wird Slowenien der EU beitreten; mit dem ersten Titel in der höchsten europäischen Handballklasse wurden die Beitrittsfeierlichkeiten vorzeitig eingeläutet. Unter die gelbe Masse der lautstark feiernden Fans und Spieler mischten sich blaue Europafahnen, die die Ankunft der Hände an den Pokal und ihres Landes in Europa demonstrierten.

„In einem solchen fairen Ambiente ist es wunderschön zu gewinnen“, freute sich Celjes Trainer Miro Pozun. Als er aber versuchte, die Flensburger mit einer vorzeitigen Gratulation zum deutschen Meistertitel zu trösten, fuchtelte Flensburgs Trainer Kent-Harry Andersson abweisend mit den Händen. Gerade so, als ob er es partout vermeiden wollte, überhaupt einen Titel vor dem jeweiligen Abpfiff zu feiern. Zu oft musste Flensburg schon bereits sicher geglaubte Titel wieder hergeben, weil die Psyche in den entscheidenden Momenten versagte. Für Andersson ist der zweite Platz in der Champions League deshalb „ein großer Erfolg für Flensburg.“ Immerhin bewies Celje mit Siegen über den TBV Lemgo, die spanische Millionärstruppe Ciudad Real und den zweiten spanischen Vertreter Leon, dass es zum Stärksten gehört, was Europas Vereinshandball zu bieten hat.

Offensichtlich versucht SG-Trainer Andersson die Erwartungen zu dämpfen, die den Flensburger Spielern besonders bei bereits sicher geglaubten Erfolgen wie eine sperrige Ritterrüstung um die Körper zu liegen scheint. Am Mittwoch geht es für die mit vier Punkten in der Bundesligatabelle führenden Flensburger gegen Lemgo bereits um eine Vorentscheidung im Streben um die deutsche Meisterschaft. Was diesen Titel angeht, steigen die Erwartungen allerdings von Tag zu Tag. „Wir haben vor der Saison die deutsche Meisterschaft als klares Ziel ausgegeben“, sagt SG-Manager Thorsten Storm, „in der Champions League wollten wir nur Spaß haben.“ Und das hatten sie – bis es richtig ernst wurde.

Wie man die hohen Erwartungen, die durch ein statistisch einzigartiges Titelvakuum genährt werden, nach einer erneuten Vizemeisterschaft nun tatsächlich erfüllen will, ist dem Manager klar. „Ich motiviere Kent-Harry und er motiviert dann die Mannschaft.“ Eine schwere Aufgabe für den SG-Coach, wenn man die Spiele gegen Celje betrachtet. Torhüter Jan Holpert bildete in beiden Finals nie den erforderlichen Rückhalt. Erst die Einwechslung von Zweitkeeper Dan Beutler in der zweiten Spielhälfte brachte die SG kurzzeitig in die Nähe ihres Vorhabens, den Sechs-Tore-Rückstand aus dem Hinspiel (28:34) wettmachen zu können. Doch anders als damals konnte vor allem der Angriff im Rückspiel nicht überzeugen.

So blieb es den Slowenen vorbehalten, die Feierlichkeiten mit den monstermagnumgroßen Flaschen Champagner am Hals zu begehen. Dieser schien den zurückhaltenden Trainer des Champions-League-Siegers so sehr zu beflügeln, dass er sich beim Besteigen des Busses mit einer Kostprobe seines deutschen Schlagerrepertoires verabschiedete: „Schnaps, das war sein letztes Wort.“ Bleibt für Flensburg nur die Hoffnung, dass die Englein aus Willy Millowitschs Gossenfeger nicht noch weitere Titel forttragen werden.