christoph schultheis
: … und es hat Flop gemacht!

Eine neue RTL-Show taugt nicht zum Aufreger. Aber wer liefert uns jetzt bloß den nötigen Diskussionsstoff? Die Welt etwa?

Mag sein, für manche ist es „die garantiert ekligste TV-Show aller Zeiten“ (Bild) oder „die härteste Show, die es je im deutschen TV gab“ (B.Z.). Andere sehen das anders. Für die ist die Sendung „Fear Factor“, um die es hier geht, „keine sonderlich aufregende Show“ (Frankfurter Rundschau), sondern eine, die „mit ein paar winzigen Änderungen ohne Problem auch im Kinderkanal laufen könnte“ (Süddeutsche Zeitung) – und „wenig spektakulär“ (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) oder auch „beinahe langweilig“, wie die Welt schrieb. Abermals andere sahen das abermals anders, genauer gesagt, gar nicht: Knapp 90 Prozent der Fernsehzuschauer hatten bislang keinerlei Interesse an der RTL-Show, rein rechnerisch schaltete nicht einmal jeder vierte Bild-Zeitungsleser ein.

Ja, irgendwas war schief gegangen im RTL-Kalkül – und es hat Flop gemacht. Man hätt’s dabei belassen können. Bis auf weiteres jedenfalls. Wobei: Wenn offenbar die Show selbst beim besten Willen nicht zum Aufreger taugt, dann hat das Ganze ja vielleicht irgendeinen nützlichen Effekt für die Entwicklung ethischer Werte, nein? Immerhin hatte sich in letzter Sekunde noch ein CDU-Recke (David McAllister, 33) bereit gefunden anzuprangern, dass nicht einmal die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) die RTL-Show beanstandet habe, woraufhin die Welt am Wochenende ein Interview mit dem FSF-Geschäftsführer Joachim von Gottberg abdruckte, in dem der Chef des unabhängigen (bzw. von RTL u. a. finanzierten) Kontrollvereins eben jene geile, Pardon: steile These vom „nützlichen Effekt für die Entwicklung ethischer Werte“ zum Besten gab. Aber hallo: Nachdem nämlich früher mal Kirche und Staat fürs Definieren von Werten zuständig gewesen seien, übernähmen so was in einer demokratischen Gesellschaft nicht zuletzt „die Medien“, so von Gottberg. „Zum einen berichten sie über Tabuverletzungen, zum anderen brechen sie Tabus selbst. So liefern sie den nötigen Diskussionsstoff.“ Und wenn nicht?! Schließlich reden wir hier doch über „Fear Factor“. Oder wir reden einfach über was anderes.

Der TV-Sender Arte zeigte am Tag unmittelbar nach der „Horror-Show“ (Bild) eine Doku über die Restaurierung von Simon de Châlons „Mariä Himmelfahrt und Krönung“ in Saint-Agricol/Avignon von Thierry-Pol Chilowicz, in der man eine Stunde lang wortkargen Restauratoren dabei zuschauen konnte, wie sie mit ruhiger Hand und spitzem Pinsel winzige Blessuren im Gemälde flickten!!! Doch nicht einmal der Bild-Zeitung war das eine Titelstory wert, von FR, SZ und Welt ganz zu schweigen. Wahrscheinlich war’s denen schlichtweg nicht langweilig genug.