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„Es gibt keine Abhängigkeit“

Schulsenatorin Christa Goetsch verteidigt die in Kritik geratene Kooperation mit Vattenfall, fordert gelebte Demokratie in den Schulen und verrät ihren Masterplan für zeitgemäßen Klimaunterricht

INTERVIEW: MART-JAN KNOCHE

Frau Goetsch, ist Vattenfall geeignet eine Aufklärer-Rolle in Sachen Klimawandel einzunehmen – vor Kindern in öffentlichen Schulen?

Christa Goetsch: Die Frage ist, ob ein Unternehmen es schafft, in den Schulen neutral mit seinen Materialien zu arbeiten. Zum Klimaschutz tummeln sich da einige, auch Vattenfall. Und Schulen können in Selbstverantwortung Kooperationen eingehen. Es gibt eine Sponsoring-Richtlinie, die die Trennung zur Werbung vorsieht – das muss gewährleistet sein.

Die Bildungsgewerkschaft GEW lehnt Engagements der Privatwirtschaft in Schulen generell ab.

Diese Meinung teile ich nicht, auch wenn ich Gewerkschafterin bin. Schauen Sie sich die Michael-Otto-Stiftung, die Hertie-Stiftung an, oder Unternehmen, die sich direkt engagieren. Durch sie gelangen interessante Wettbewerbe, Sport- und Musikanlagen in die Schulen. Natürlich muss vorab der Inhalt geprüft werden, der transportiert wird.

Geprüft und genehmigt wurde Vattenfalls Klimaakademie in der Amtszeit Ihrer CDU-Vorgängerin, die die Schulen für Werbung öffnen wollte. Sind die Maßstäbe unter Ihnen die gleichen?

Ich bin nicht mehr Schirmherrin des Projekts. Die Öffnung zur Werbung halte ich für den falschen Weg. Schulen sind keine Wirtschaftsbetriebe. Ich habe die „Klimaakademie“ nun erneut prüfen lassen. Die Beiträge zur Solarenergie und Windenergie kann man nicht verurteilen. Zudem: Unterrichtsmaterial zum Klimaschutz kommt ja nicht allein von Vattenfall.

Trotzdem gilt der Klimaakademie besondere Aufmerksamkeit. Ihr Kollege Axel Vogel, Grünen-Vorsitzender in Brandenburg, forderte vom dortigen Bildungsminister den sofortigen Stopp der Aktion. Haben die Hamburger Grünen eine Sonderhaltung?

Da wird etwas vermischt. Zum einen Differenzen, die wir politisch mit Vattenfalls geplantem Kohlekraftwerk haben, und zum anderen Kooperationen mit Firmen, die sich mit regenerativen Energien auseinandersetzen. Das muss man trennen.

Der Eindruck bleibt, dass ein Konzern, der von Ihrer Partei als Klimasünder gebrandmarkt wird, in Schulen Klimaschutz unterrichtet.

Sie versuchen mir zu unterstellen, ich würde einen Klimakiller in die Schulen lassen. Mal ernsthaft: Man kann doch nicht sagen, wir kooperieren gar nicht mit der Wirtschaft. Das ist doch jenseits von Gut und Böse.

Das ist Kritik an der Klimaakademie, die auch aus Ihrer Partei kommt.

Ich werde keine Kooperation verbieten, wenn die Schulgemeinde, also Eltern, Lehrer und Schüler sich entscheiden mit Eon oder Greenpeace zusammenzuarbeiten. Sie können ja in den Schulen nachfragen, ob die Schulkonferenz beteiligt wurde. Das müsste demokratisch laufen.

Können Sie das verdeutlichen?

Wir überprüfen vorab das Material, aber wenn aus Sicht der Schulgemeinde etwas gegen eine Zusammenarbeit spricht, muss die Schulkonferenz einbezogen werden. Das entscheiden nicht allein die Schulleitung und die Physik-Lehrerin. Hier zeigt sich, dass gelebte Demokratie in den Schulen über die legitimierten Gremien wieder gestärkt werden muss – was wir durch ein Projekt mit der SchülerInnenkammer auch tun.

Sind die Schulen nicht bereits abhängig von Unterrichtsmaterial aus der Wirtschaft?

Nein, es gibt keine Abhängigkeit. Da würde ich Sie bitten einmal unser bestehendes Angebot zur Kenntnis zu nehmen.

Bitte.

Es gibt die Energiewerkstatt und die Umweltschule, wo Kurse zu den Themen Abfall, Energie, Wasser, Naturschutz durchgeführt werden. Dann laufen Wettbewerbe wie „Eure Ideen für den Klimaschutz“ und „Umweltstudien Europa“. Am 11. November wurde wieder der jährliche Klimaschutztag mit dem Fifty-fifty-Projekt veranstaltet. Zu all dem gibt es Unterrichtskonzepte und Material, davor können sich die Kollegen gar nicht retten.

Trägt diese Programmpalette bereits Ihre Handschrift?

Noch nicht. Sie trägt die Handschrift des Landesinstituts. Gerade entwickelt wird ein umfangreiches Programm zur Förderung der Bildung für nachhaltige Entwicklung in Schulen. Ein Klimaschutzplan, der für alle Schulen – wie im Koalitionsvertrag vorgesehen – gemeinsam mit der Umweltbehörde erarbeitet wird, bis Ende 2012 soll er umgesetzt sein.

Was beinhaltet dieser Klimaschutzplan?

Die Stärkung des Klimawissens und -schutzes vor Ort. Jede Schule soll durch Umbau zur Reduzierung von CO2-Emissionen beitragen. Aber auch im Unterricht wird der Plan verankert. Zudem wird es mehr Umwelt- und Klimaberatungspersonal geben, um die Schulen kompetent zu beraten. Wir sind gerade in der Projektentwicklung.

Gibt es zukünftig also Klimaunterricht in regulären Schulstunden?

Ja, in den entsprechenden Lernbereichen wird es eine höhere Verbindlichkeit geben. Für die Kids soll Klimaschutz anschaulich gemacht werden. Das macht die Handschrift der Grünen aus, nicht nur im Koalitionsvertrag, sondern auch in der Umsetzung.

Fotohinweis:CHRISTA GOETSCH, 56, ist Zweite Bürgermeisterin und Senatorin für Schule, Berufs-und Weiterbildung in Hamburg.

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