Nein zur Wiedervereinigung: Gewonnen hat allein die Türkei

Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan zeigt sich zuversichtlich: Da Ankara in der Zypernfrage kompromissbereit war, seien Europäische Union und USA jetzt in der Bringschuld. Gefordert wird die Aufhebung des Embargos gegen Nordzypern. Schon heute beginnen in der Türkei neue Beratungen über die Zukunft der geteilten Insel

ISTANBUL taz ■ „Das war unser erfolgreichster diplomatischer Zug seit 50 Jahren“ – der türkische Ministerpräsident gab sich gestern nicht bescheiden. Tatsächlich geht Tayyip Erdogan aus dem Verhandlungsmarathon über Zypern als strahlender Sieger hervor. Sein wichtigstes Fazit: Zypern versperrt der Türkei nicht mehr den Weg zur EU. Außerdem seien jetzt die USA und die EU in der Bringschuld: Das Embargo gegen den Norden soll aufgehoben werden.

Erdogan war bis zuletzt von Skeptikern und Hardlinern fast des Landesverrats bezichtigt worden, weil er Zypern „den Griechen schenkte“. Die Nachteile des Annan-Plans für die Türkei wurden wochenlang im Parlament und den Medien debattiert. Noch am Freitag hatte die Opposition auf einen Punkt hingewiesen: Bald könne kein türkisches Kriegsschiff mehr ohne griechische Erlaubnis zypriotische Gewässer passieren, die Sicherheit des Landes stehe auf dem Spiel. Nationalisten riefen die Armee auf den Plan. Aber diese gab Erdogan freie Hand – für den EU-Beitritt war auch der Generalstab bereit, die Insel ihren Bewohnern zu überlassen.

Die Aufmacher der türkischen Zeitungen brachten es gestern auf den Punkt: „Die Griechen haben Zypern geteilt“ und „Europa, halte jetzt deine Versprechen!“, titelten sie. Die Inselgriechen ließen mit ihrem deutlichen „Nein, danke“ alle Hardliner aufatmen. Der umstrittene Annan-Plan tritt nicht in Kraft, die Türkei behält die Kontrolle über die Insel, die Inseltürken sind die Good Guys und „dürfen nicht länger bestraft werden“, wie gleichzeitig aus Washington und Brüssel verlautete. In ersten Stellungnahmen erklärten sowohl Erdogan als auch Außenminister Abdullah Gül den UN-Plan für gescheitert und kündigten an, dass sie so bald keinen neuen Anlauf akzeptieren wollen. Hinter den Kulissen war zu erfahren, dass die Türkei als Zeichen des guten Willens einen Teil ihrer 30.000 Soldaten aus Zypern abziehen will. Trotzdem herrscht immer noch Unklarheit darüber, wie es auf der Insel nach dem 1. Mai weitergehen wird. Die sozialdemokratische Opposition bot der Regierung eine enge Zusammenarbeit bei einer „neuen diplomatischen Offensive“ an.

Enttäuscht sind die Jasager auf Zypern. Ministerpräsident Mehmet Ali Talat forderte sofort ein Ende der türkischen Isolation und vermied es, die Griechen zu kritisieren. Mustafa Akinci, Vorsitzender der Bewegung für Frieden und Demokratie, die ebenfalls sehr für den Annan-Plan eingetreten war, macht jedoch aus seiner Enttäuschung keinen Hehl: „Die EU wird mit diesen kompromisslosen Inselgriechen auch in anderen Fragen großen Ärger haben“, sagte der Sozialist Akinci, der sich am meisten über das Nein der kommunistischen Akel im Süden ärgert. Und Metin Münir, Kolumnist in Vatan und großer Verfechter einer Einigung mit den Griechen, fasst die Meinung im türkischen Teil so zusammen: „Die Griechen haben bewiesen, dass sie nicht mit uns zusammenleben wollen.“ Warum das so sei? „Weil sie uns als Menschen zweiter Klasse sehen und auf uns herabblicken.“

In Ankara wird die Zypernfrage heute sowohl im Parlament als auch im Nationalen Sicherheitsrat debattiert. Ministerpräsident Erdogan trifft morgen in Köln mit Bundeskanzler Schröder bei der Eröffnung der Deutsch-Türkischen Handelskammer zusammen und berät ebenfalls über Zypern. Schließlich wird Erdogan nächste Woche nach Athen fliegen, um dort mit seinem griechischen Counterpart Karamanlis über die Zukunft der Insel zu sprechen. So dürften auch die enttäuschten Jasager auf Zypern beruhigt sein: Es bleibt nichts, wie es war. DILEK ZAPTCIOGLU