Der deutsche Kongo-Konflikt

Natürlich betreibt Berlin Politik im Kongo. Aber diese folgt nicht dem selbst gesetzten Ziel des Friedens, sondern trägt zum Krieg bei – weil niemand sie im Griff zu haben scheint

Manche Deutschen halten OstkongosRuander sämtlich für Vertreter einerBesatzungsmacht

In Deutschland ist das Kongo-Fieber ausgebrochen. Der bevorstehende Einsatz der Bundeswehr löst heftige Debatten aus. Dabei sollen die deutschen Soldaten nicht etwa in der bis vor kurzem umkämpften kongolesischen Stadt Bunia stationiert werden – sie sollen sich vom benachbarten Uganda aus auf logistische und medizinische Hilfe für die in Bunia federführenden Franzosen beschränken. Da kann nicht verwundern, dass allseitig das Fehlen eines politischen Konzepts für die deutsche Kongo-Politik beklagt wird.

Allerdings stimmt es nicht, dass Deutschland bisher überhaupt keine Kongo-Politik gehabt hätte. Es gab und gibt sie. Nur hat sie kein Konzept, sondern besteht eher aus punktuellen Initiativen auf der Grundlage einer Fehlanalyse. Im Kongo fördert das Verantwortungslosigkeit und Rassenhass.

Deutschlands offizielle Kongo-Politik besteht darin, den Frieden zu fördern, indem man den Aufbau einer starken kongolesischen Regierung unterstützt und den Einfluss kriegstreibender Nachbarländer, vor allem Ruanda und Uganda, zurückdrängt. So ausgedrückt kann dem niemand widersprechen. Fatal ist jedoch, dass diese Zielsetzung der Politik gleichzeitig die politische Analyse des Konflikts darstellt: Das Problem des Kongo sei die Einmischung des Auslands.

Kongos Probleme begannen demnach, als 1996 die Armeen Ruandas und Ugandas mit Unterstützung fast ganz Afrikas und großer Teile der internationalen Gemeinschaft in dem damals Zaire genannten Staat einmarschierten, um dem Rebellenführer Laurent-Désiré Kabila zu helfen, Diktator Mobutu Sese Seko zu stürzen. Seitdem sind Ruanda und Uganda im Kongo präsent geblieben und mischen in der dortigen Politik mit.

Vor 1996 war also alles besser. Wirklich? Damals waren sich alle einig, dass das Problem des Landes Mobutu ist und sein Sturz dessen Lösung. Es war Mobutu, der ein reiches Land zugrunde wirtschaftete und die politische Kultur zerstörte. Nachdem Mobutu in den Neunzigerjahren auch die einheimische Demokratiebewegung zerschlug und in den Provinzen Kivu und Katanga ethnische Bürgerkriege schürte, blieb nur noch die ausländische Intervention, um das Land zu retten.

Dass Kabilas Sieg über Mobutu 1997 die Probleme des Kongo nicht löste, lag nicht am Ausland, sondern an Kabila. Der scherte sich nicht um die Demokraten, sondern baute eine eigene Willkürherrschaft auf. Das Ergebnis: ein neuer Krieg mit erneuter ruandisch-ugandischer Einmischung – diesmal aufseiten von Kabilas Gegnern.

Wie kann man also jetzt denken, es genüge, den Kongo seinen Warlords zu überlassen, um das Land zu sanieren? Würde der Abzug ausländischer Truppen reichen, um den Kongo zu befrieden, hätte der Krieg im vergangenen Herbst zu Ende gehen müssen. Dass das geltende Friedensabkommen für den Kongo noch immer nicht umgesetzt wurde, ist allein den Rivalitäten zwischen den kongolesischen Führern zuzuschreiben.

Deutsche Advokaten der Einmischungsthese sind nun auf Verschwörungstheorien reduziert: So habe Ruanda im vergangenen Jahr seine Armee nicht abgezogen, sondern seine Soldaten nur als Kongolesen verkleidet. Und die Nichtumsetzung der Friedensabkommen liege einfach an den Instruktionen, die sich Kongos Rebellenführer in Ruandas Hauptstadt Kigali abholen würden. Systematisch werden Kongos Führer von jeder Verantwortung für den Zustand ihres Landes freigesprochen.

Die Konsequenzen dieser Sichtweise sind fatal. Als ab 2001 der kriegsfinanzierende Handel mit Coltan aus Ostkongo und die führende Rolle deutscher Geschäftsleute dabei bekannt wurde – angestoßen durch Veröffentlichungen der taz –, starteten verschiedene NGOs Kampagnen dagegen. Aber Kern ihrer Kritik war weniger, dass Rohstofferlöse zur Kriegsfinanzierung statt zur Entwicklung eingesetzt wurden, sondern die Tatsache, dass dieses Geschäft über Ruanda lief.

Die NGOs verlangten nicht etwa die Umleitung der Exporterlöse zugunsten der Bevölkerung, sondern den Stopp des Exports und Sanktionen gegen Ruanda. Und heute urteilen manche von ihnen, in Zukunft seien diese Rohstoffgeschäfte wohl in Ordnung, weil sie dann von einer anerkannten Regierung organisiert wären. Das Los der Menschen bleibt ausgeblendet.

Schlimmer noch ist aber die immer gängigere Aufteilung der kongolesischen Bevölkerung nach ethnischen Kriterien in Gut und Böse. Im Osten Kongos gibt es eine alteingesessene ruandischstämmige Bevölkerungsgruppe, teils vor Jahrhunderten aus Ruanda ausgewandert, teils während der belgischen Kolonialherrschaft als Arbeitskräfte transferiert. Chauvinisten im Kongo sprechen ihnen regelmäßig die Bürgerrechte ab, Hegemonialpolitiker in Ruanda vereinnahmen sie als Auslandsruander. Beides schürt den ethnischen Konflikt. Ohne eine Anerkennung der Gleichheit aller Kongolesen und ohne eine aktive Förderung friedlichen Zusammenlebens im Osten des Kongo ist Frieden unmöglich.

Zwischen den im Kongo aktiven Deutschen toben herbe Machtkämpfe und intime Eifersüchteleien

Aber getreu der Logik, die Übel des Kongo seien auf Ruandas Einmischung zurückzuführen, gehen manche Deutsche den entgegengesetzten Weg. Sie halten Ostkongos ruandischstämmige Minderheit für Vertreter einer Besatzungsmacht, die aus Kongos Politik zu entfernen seien. Es gibt deutsche Entwicklungspolitiker, die die Förderungsfähigkeit kongolesischer Partner danach beurteilen, ob ihre Führer ruandischstämmig sind oder nicht. Damit folgen sie einer rassistischen Logik. Im Afrika der Großen Seen ist das besonders gefährlich.

Natürlich gehört ethnische Säuberung im Kongo eigentlich nicht zu den Zielen der deutschen Außenpolitik. Die geschilderten Zustände stellen kein gewolltes Konzept dar, sondern sind das Ergebnis privaten Freund-Feind-Denkens. Gleichzeitig toben nämlich zwischen den im Kongo aktiven Deutschen herbe Machtkämpfe und intime Eifersüchteleien, die Deutschlands Entwicklungspolitik in der Region an den Rand der kompletten Lähmung gebracht haben. Das Auswärtige Amt und das für Entwicklungshilfe zuständige Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ziehen zuweilen an unterschiedlichen Strängen; die beiden großen Kirchen mit ihren mächtigen kongolesischen Partnerkirchen sowie die Hilfswerke agieren völlig autonom und zuweilen gegeneinander; die für die Ausführung von Entwicklungshilfe zuständige Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) leistet sich Grabenkämpfe mit anderen deutschen Gebern.

Die Erarbeitung einer deutschen Kongo-Politik muss daher in Deutschland ansetzen, nicht im Kongo. Und das Problem ist nicht so sehr das Fehlen eines Konzepts, sondern das Fehlen eines Verfahrens zur Entwicklung eines Konzepts. Bundeswehrsoldaten in Uganda, gedacht als Beitrag zum Frieden im Kongo, mögen die Dringlichkeit der Behebung dieses Mangels unterstreichen. Ein Ersatz dafür sind sie nicht. DOMINIC JOHNSON