Tschechien im siebenundsiebzigsten Himmel

Im Land der „Charta 77“ stimmen 77 Prozent der Wähler für den EU-Beitritt. Dass Präsident Klaus dagegen ist, war egal

PRAG taz ■ Als weiteres der zehn EU-Kandidaten hat Tschechien am Freitag und Samstag in einer Volksabstimmung mit großer Mehrheit für den Beitritt zur Europäischen Union gestimmt. Bei einer Wahlbeteiligung von 55 Prozent entschieden sich 77 Prozent für die „Rückkehr nach Europa“, wie die Tschechen ihre bevorstehende EU-Mitgliedschaft gern nennen.

Hatte die EU-freundliche sozialliberale Regierung vor dem Referendum noch befürchtet, das schöne Wetter könnte die Wähler eher auf die Datsche als an die Urnen locken, so strahlten ihre Vertreter nach Bekanntgabe des Resultats gemeinsam um die Wette: „Ich bin stolz Premierminister einer Republik zu sein, die engagierte Bürger hat“, freute sich Vladimir Spidla. Das Ja zu Europa habe nun endgültig das Ende der Nachkriegsordnung eingeläutet, fand Spidla. Sein Außenminister Cyril Svoboda überschlug sich beinahe in seinem Lob für das Volk: „Das ist ein Sieg eines jeden Bürgers der Tschechischen Republik“, so der christdemokratische Volksvertreter.

Lange Gesichter gab es auf der Prager Burg. Präsident Václav Klaus, der in seinen politischen Lehrjahren die Phrase „zurück nach Europa“ zwar geschaffen und die Samen des tschechischen EU-Beitritts gesät hatte, blieb in seiner Reaktion zurückhaltend. „Der Präsident der Republik hat ein Resultat dieses Typs erwartet. Die Beteiligung hätte höher sein können“, ließ Klaus die Presse per SMS wissen.

Seit seinem Fall als Premierminister im Herbst 1997 hat Klaus sich immer weiter in die euroskeptische Nische zurückgezogen und versucht, sich als Retter so genannter tschechischer Nationalinteressen zu profilieren. Ein umso härterer Schlag ist für Klaus, der noch vergangene Woche seinen Premier Spidla bei einem Empfang auf der Burg aufforderte, einen proeuropäischen Anstecker von seinem Revers zu entfernen, das Ja zu Europa. „Der muss sich jetzt beeilen, sein Fähnchen schnell in den neuen Wind zu drehen“, meinte zynisch ein Beobachter. Anders dagegen Altpräsident Václav Havel: Er fühle Genugtuung über das Resultat, schließlich habe er lange darauf hingearbeitet.

Was der EU-Beitritt letztendlich bedeutet, darüber sind sich die meisten Tschechen allerdings noch unklar. Aber im Moment bleibt das Nebensache. Wichtig ist, das man nicht vor der Tür des Clubs stehen bleibt.ULRIKE BRAUN