Schmerzhafte Tradition

Genitalverstümmelung ist ein Bremer Thema: Vielen Ärztinnen und Ärzten ist es fremd, verstümmelte Frauen zu behandeln. Ärztekammer spricht sich gegen die Beteiligung an grausamen Praktiken aus

taz ■ In Nigeria leben laut UN 93,8 Prozent der Frauen und Mädchen damit, dass ihnen die Klitoris im Alter von acht Tagen, als Jugendliche oder als erwachsene Frau weggeschnitten oder die Schamlippen abgeschabt wurden. Und dass sie anschließend fast vollständig zugenäht worden sind. Genitalverstümmelung ist morgen Thema einer Fortbildung in Bremen.

Die Folgen dieser brutalen Eingriffe sind meist bleibende körperliche und seelische Schmerzen, häufige Infektionen, und dass die Frauen ihr Leben lang keine Lust beim Sex empfinden können. Die Gründe lägen in Tradition und schlechter Bildung, sagte Ronke Okusanya, ehemalige Frauen- und Sozialministerin der nigerianischen Republik Ekiti-State gestern: Viele NigerianerInnen glaubten, mit dem Wegschneiden der Klitoris könnten sie die Mädchen „vor Promiskuität schützen“. Es herrsche auch der Glaube, dass es Pech bringe, wenn der Kopf eines Babys bei der Geburt die Vagina berühre.

Wie nah afrikanische Länder an Bremen heranrücken, verdeutlichte Ulrike Hauffe, Landesfrauenbeauftragte und Psychologin. Sie berichtet von einer Schwangeren, die zugenäht in die Klinik kam und für die Entbindung geöffnet werden wollte. „Sie bestand aber darauf, nach der Geburt wieder zugenäht zu werden. Das gab hitzige Diskussionen unter den Ärztinnen und Ärzten“, erzählt Hauffe.

Ursula Auerswald, Vorsitzende der Bremer wie der Bundesärztekammer, kündigte eine finanzielle Unterstützung für nigerianische Aufklärungsprojekte an. Die morgige Fortbildung solle das mit Tabu und Scham behaftete Thema den hiesigen Medizinern näher bringen: „Vielen Ärzten ist es noch fremd, verstümmelte Frauen zu behandeln.“ Organisiert wurde das Seminar vom Gesundheitsamt, in Kooperation mit der Ärztekammer und dem Verein „Human and Environment“. Zu der Fragestellung „Warum sehen wir sie nicht – weibliche Genitalverstümmelung“ berichten als Referentinnen die Bremer Ärztin Edith Bauer und Asili Barre-Dirie von dem Verein Forward Germany. Außerdem wird dort die Nigerianerin Okusanya über ihre Arbeit berichten. Die ehemalige Ministerin hat im August 2002 ein Gesetz durchgebracht, das Genitalverstümmelung verbietet. Sie berichtet über Wege, nigerianischen Beschneiderinnen alternative Verdienstmöglichkeiten zu geben. ube