addio, italia! von JOACHIM SCHULZ
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Ich weiß nicht, was wir uns haben zuschulden kommen lassen. Stets loben wir die Lebensart der Stiefelbewohner als das Nonplusultra der Daseinsgestaltung und die italienische Küche als die delikateste der Welt. Doch irgendjemand muss uns verleumdet haben, denn ohne dass wir etwas Böses getan hätten, wird uns die Einreise ins Land der blühenden Zitronen von der zuständigen Schicksalsbehörde seit geraumer Zeit verweigert. Ich habe schon versucht, bei der Fatumsbuchhaltung anzurufen und mich nach den Gründen für den Bann zu erkundigen. Aber dort ist immer besetzt.

Es begann vor genau drei Jahren. Nachdem wir in den vorangegangenen Sommern griechische, spanische und französische Küstenstriche erkundet hatten, wollten die Liebste und ich mal wieder nach Sizilien reisen. Schön waren die Erinnerungen an den ersten gemeinsamen Urlaub, und höchst verlockend schien uns der Plan zu sein, eine sentimental journey in eine der Landschaften unserer Jugend zu unternehmen. Die Tickets waren bereits gekauft – doch als wir am Abend vor unserer Abfahrt die übliche Tag-vor-der-Reise-Verabschiedungssause mit unseren Freunden zelebrierten, drehte die Liebste sich beim Salsatanzen dermaßen geschickt um die eigene Körperachse, dass ihre Kreuzbänder schnalzend Farewell sagten und wir am nächsten Tag nicht im Brennerexpress, sondern in der chirurgischen Ambulanz des hiesigen Klinikums saßen.

Selbstverständlich dachte ich damals noch nicht an einen von den Schicksalsmächten niedergeschriebenen Fluch, und deshalb setzten wir das Unternehmen Bella Sicilia für den nächsten Frühsommer wieder auf die Tagesordnung. Drei Monate vor der geplanten Abreise aber begann ein fürchterlicher Virus unter unseren Elektrogeräten zu hausen: Er sorgte zunächst für einen Totalschaden der Waschmaschine, raffte alsdann Herd und Kühlschrank, Computer und Fernseher dahin und riss damit letztlich ein derart monströses Loch in unser Finanzfundament, dass wir an Reisen, die über die Endstationen des hiesigen Nahverkehrsnetzes hinausgingen, nicht mehr zu denken brauchten.

Von Sizilien nahmen wir daraufhin Abstand und planten für den Herbst des vergangenen Jahres eine kleine Tournee durch Apulien. Tatsächlich machten unsere Waschmaschine und ihre Kollegen in den Wochen vorher keine Anstalten, ihren Geist aufzugeben, und auch die Tag-vor-der-Reise-Sause überstanden wir ohne Beschädigungen. Als wir indessen auf der Flughafenrolltreppe standen, setzte sich urplötzlich ein Gepäckwagen vor uns in Bewegung, und diesmal war ich an der Reihe, mir einen komplizierten Ellenbogenbruch zuzuziehen und den Grund für die Reisestornierung zu liefern.

Seitdem haben wir alle Italien-Pläne zu den Akten gelegt. Denn wenn wir doch einmal eine Maschine erreichten, dann würden die Schicksalsmächte wahrscheinlich nicht mal davor zurückschrecken, den Jet nach Erreichen der Reiseflughöhe mit einem herumvagabundierenden Meteoritenschwarm kollidieren zu lassen. Und das muss nun wirklich nicht sein.