toscani, mafia etc.
: Schutzgeld vom Original fordern

Mafia: Das ist eines jener Label, von denen ein Marketingleiter nur träumen kann. „Chinesische Mafia“, „Russenmafia“ etc. Kaum sind irgendwo größere Verbrechersyndikate aktiv, kriegen sie den italienischen Titel verpasst. Das Original ist aber nur eines – die Mafia eben, ganz ohne Adjektive. So sicher waren sich die Bosse ihres guten Namens über Jahrzehnte hinweg, dass sie kokett seine Existenz leugneten. Mafia? Sie zuckten mit den Schultern: „Kennen wir nicht, was soll das denn bedeuten?“

Diese Koketterie könnte sich jetzt rächen – ungeschützt war das Firmenlabel. Bis Oliviero Toscani kam, der italienische Star- und Skandalfotograf, und zu Silvester verkündete, er habe sich die fünf Buchstaben eintragen lassen, M.A.F.I.A., angeblich als Abkürzung von „Mediterranean Association for International Affairs“. Dass Toscani jetzt aber einen Mittelmeerverein für Internationales aufziehen möchte, glaubt kein Mensch. Schließlich ist der Mann seit Jahrzehnten in anderer Mission unterwegs. Ob Fotos von sterbenden Aidskranken, von Insassen des Todestrakts eines US-Gefängnisses, vom nackten Körper eines magersüchtigen Models: Toscani, von 1982 bis 2000 bei Benetton unter Vertrag, hat es immer wieder geschafft, heftige Kontroversen auszulösen und selbst im Gespräch zu bleiben.

Die Todeskandidatenkampagne kostete Benetton den Lieferkontrakt mit einer großen US-Kaufhauskette – und Toscanis Zusammenarbeit mit Benetton war schnell am Ende. Doch der heute 66-Jährige schockte einfach weiter, mit Schwulen auf Jeans-Werbeplakaten in recht offener Umarmung zum Beispiel. In Italien regt das noch auf.

Und dass die Mafia ein dankbares Thema ist, weiß der Mann schon lange. In den 80er-Jahren fotografierte er Linda Evangelista im Kreis schwarz gewandeter alter Mütterchen. Die evozierten mit ihrer Trauerkleidung geschickt das Thema – und regten sich anschließend auf, weil sie sich missbraucht fühlten. 1996 dagegen ging es friedlicher zu, als Toscani sich nach Corleone begab, um in der Mafiahochburg 50 Jugendliche gewissermaßen als die sauberen Gesichter Siziliens zu porträtieren. „Mein Beitrag zum Kampf gegen die Mafia“, verkündete er damals.

Im Jahr 2009 ist Toscani einen Schritt weiter. Er macht gleich gar keine Fotos mehr, er lässt sich bloß die fünf Buchstaben schützen. Wieso, weiß er selbst noch nicht so genau. Aber schließlich ist er mittlerweile Kulturdezernent in dem kleinen sizilianischen Städtchen Salemi, unter dem landesweit bekannten Kunstkritiker Vittorio Sgarbi. „Was wir mit der Marke machen, ist noch nicht klar“, erklärte Sgarbi, doch eine Nutzung hat er sich schon ausgedacht: Man könne jetzt ja „Schutzgeld“ verlangen von denen, die das Label „unberechtigt gebrauchen“.

MICHAEL BRAUN