Nur noch ein formeller Akt

Die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen hat sich mit der EU-Osterweiterung schon lange angefreundet. Überraschungen der neuen Konkurrenz erwarten nach dem 1. Mai nur wenige Unternehmervertreter

Unternehmer könnten abwandern, weil sie in Deutschland keine qualifizierten Auszubildenden finden

VON ELMAR KOK

Wenn es eine typische Region für Nordrhein-Westfalens Wirtschaft geben soll, ist es die des Bezirkes der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Arnsberg. „Wir haben eine sehr ausgewogene Wirtschaftsstruktur im Kammerbezirk“, sagt Ralf-Achim Hueß, Außenwirtschaftsexperte der Arnsberger IHK. Hueß sieht Risiken und Chancen der Erweiterung des EU-Wirtschaftsraumes ausgewogen. „Überall wo es um einfachere Qualität geht, wird der Konkurrenzdruck zunehmen“, sagt Hueß. Den gebe es im Bezirk aber jetzt schon, „beispielsweise bei unseren Lampenherstellern, die stehen in Konkurrenz zu den Unternehmen aus Asien“.

Nur die Autozulieferer der Region bewegten sich schon in Richtung Osten, sagt Hueß. Denn als Zulieferer müsse „just in Time gearbeitet werden und viele Autos werden beispielsweise heute in Tschechien hergestellt.“ Insgesamt sei die Lage vor dem 1. Mai rund um Arnsberg recht entspannt, denn „gottseidank liegen wir nicht direkt an der Grenze“.

An der Grenze liegt das Gebiet der IHK Rhein-Sieg in Bonn. Allerdings erwehrt man sich dort seit längerer Zeit erfolgreich der Konkurrenz aus den Niederlanden. Trotzdem ist dort die Stimmung gedrückt. „Hier überlegen schon einige Firmen, den Bereich Forschung und Entwicklung ins Ausland zu verlegen“, sagt Michael Pieck, Sprecher der Handelsvertreter. „Es gibt auch eine gewisse Konkurrenz in Sachen Know-How.“ Gerade die metallverarbeitenden Betriebe in der Region erhofften sich in den neuen Beitrittsländern bessere Auszubildende. Deshalb gebe es in der Region Rhein-Sieg die Tendenz abzuwandern. Da die Bundesregierung nicht in der Lage sei, ihre Ankündigungen umzusetzen, sei es nicht möglich, qualifizierte Auszubildende für die industriellen Metallberufe zu bekommen, sagt Pieck.

Die Unternehmer der Region Ostwestfalen freuen sich auf die Zeit nach dem ersten Mai. „Das ist bei uns ein ganz heißes Thema“, sagt Harald Grefe, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Bielefeld. Die Veranstaltungen der Kammer zur Erweiterung hätten eine Riesenresonanz erbracht, sagt Grefe. Gerade für die Möbelindustrie sei der neue Absatzmarkt im Osten interessant. „Die Märkte in Polen und Tschechien natürlich als erstes“, sagt Grefe. Insgesamt werde es in Ostwestfalen mehr Gewinner als Verlierer geben, dessen ist sich Grefe sicher. Allerdings werde es letztgenannte auch geben, sagt er: „Handel ist nunmal keine Einbahnstraße.“ Probleme erwartet Grefe nur im Bau und Transportgewerbe.

Christoph Pieper von der IHK in Nordwestfalen aus Gelsenkirchen sieht die Erweiterung als historische Chance. „Stellen sie sich mal vor, sie ziehen einen Kreis von 1.000 Kilometern um Gelsenkirchen. Da kommen dann auf einmal 60 Millionen Verbraucher hinzu!“ Es gehe bei der Erweiterung auch um die kulturelle Bedeutung des Handels. „Man muss sich mal vorstellen, dass die Generationen vor mir in Kriegen verheizt worden sind“, sagt Pieper. „Die Erweiterung steigert die Chancen, dass das nicht wieder passiert.“