Bonn sucht den Bürgerwillen

Der Umbau des Bonner Bahnhofsvorplatzes ist ins Stocken geraten. Nach Bürgerprotesten sagt Bürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) zu, die Argumente der Kritiker „fair und intensiv“ zu prüfen

Von Martin Ochmann

Nach heftiger Kritik von Anwohnern an den Plänen zur Bebauung des Bonner Bahnhofsvorplatzes sehen die Stadtratsfraktionen nun Nachbesserungsbedarf. Seit Monaten streiten Bürger und Politiker um die Neugestaltung des Platzes zwischen Bahnhofsgebäude und Fußgängerzone, der im lokalen Sprachgebrauch „Bonner Loch“ heißt.

Eigentlich sollte die Entscheidung über den Baubeginn in der Ratssitzung am 13. Mai gefällt werden. Sie wurde aber vorerst auf Eis gelegt. Denn nach einer turbulenten Bürgerversammlung in der vergangenen Woche mit rund 400 Teilnehmern entschied Bonns Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) höchstpersönlich, dass ein Beschluss derzeit nicht möglich sei: Der „Respekt“ vor den Fragen, Verbesserungsvorschlägen und der kritischen Ablehnung der Bürger gebiete eine „faire und intensive inhaltliche Auseinandersetzung mit den Argumenten der Bürgerschaft“, so Dieckmann nach der Versammlung.

Alle wollen nachbessern

Auch die Bonner CDU sieht jetzt „deutlichen Nachbesserungsbedarf“, wie Fraktionschef Benedikt Hauser nach der Fraktionssitzung sagte. Schon am Montag hatte seine Parteikollegin Bürgermeisterin Pia Heckes für Aufregung gesorgt, als sie die Pläne in ungewöhnlich scharfer Form kritisierte. Sollten sie nicht abgeändert werden, plädiere sie dafür, „lieber die Notbremse zu ziehen“. „Wir wollen an dieser Stelle architektonische Qualität“, so die CDU-Kandidatin für das Oberbürgermeisteramt auf Anfrage. Fraktionschef Hauser sieht in dieser Haltung keine Wende seiner Partei. „Wir haben von Anfang an gesagt, dass eine deutliche Nachbesserung nötig ist, konnten uns damit aber nicht gegen die übrigen Fraktionen und den Investor durchsetzen“. Nach der Bürgerversammlung sei nun aber der „Weg wieder offen“.

Die Sozialdemokraten wollen dagegen „im Grundsatz“ an der Planung festhalten, sagt der planungspolitische Sprecher Werner Esser. Mit Blick auf die Bebauung zwischen Thomas-Mann-Straße und Bonner Loch sieht er lediglich die Notwendigkeit, „ein bisschen was zu tun“. Unter anderem solle der Abstand zwischen dem Bahnhofsgebäude und der zukünftigen Bebauung vergrößert werden. Esser hält zudem einen Fassadenwettbewerb für angeraten.

Ein initiierendes Bürgerbegehren gegen die Bebauungspläne wollen die Bonner Grünen ins Leben rufen. Die grüne Fraktion sehe keinen weiteren Diskussionsbedarf, denn „wir sind sowieso gegen diese Pläne“, sagt deren Vorsitzender Tom Schmidt. Schon in vierzehn Tagen soll der Text vorliegen, kündigte er an. Am Samstag darauf wolle die Partei mit der Stimmensammlung beginnen.

Drogenhilfe gefährdet

Völlig unklar ist bislang, was nach dem Umbau mit der lokalen Drogenszene passiert, für die das Bonner Loch der zentrale Treffpunkt ist. Der Bonner Verein für Gefährdetenhilfe (VFG) warnte in der vergangenen Woche vor der Verdrängung der Abhängigen und Obdachlosen. Die Geschäftsführerin Nelly Grunwald befürchtet einen „Anstieg der Todesrate“. Denn bislang sei diese Klientel dank der Arbeit der Wache GABI (Gemeinsame Anlaufstelle Bonner Innenstadt), die im Untergeschoss des Bahnhofs untergebracht ist, sehr gut unter Kontrolle.

Durch die Nähe zur Szene und die ständige Präsenz konnte nach Angaben Grunwalds allein im vergangenen Jahr rund 45 Abhängigen dank schneller Reanimation das Leben gerettet werden. „In Zukunft werden diese Menschen irgendwo in der Stadt konsumieren“, die jahrelangen Bemühungen um Kontakte und Kontrolle würden damit über Nacht zunichte gemacht. „Wenn diese Menschen auf einmal überall in der Stadt auftauchen, fürchte ich um den sozialen Frieden in Bonn“, so Grunwald.