Spazieren lassen

Die Ausstellung, die kommt: Das Kulturzentrum Schlachthof erfindet Bremen als „Tourist City“ neu

Der Flaneur von heute ist der Zapper, und diffuse Langeweile der Smog, den wir atmen. Die Schwelle zu großen Taten – das war einmal. Doch halt: Dem Flaneur naht Rettung. Tourist City heißt die Ausstellung, die ihn wieder entdecken könnte. Oder heilen. Ihr Motto: Die Neuerfindung des Ortes.

Was es damit auf sich hat? Einen möglichst breiten Querschnitt durch verschiedene Stadt-Versionen wolle man zeigen, sagt Vera Kandzia vom Kulturzentrum Schlachthof. Hier arbeitet man schon seit Monaten an der Ausstellung. Und das tut man mit dem guten Gefühl einer erfolgreichen Tradition. Zuletzt hat man 2001 mit Safety First die Relevanz und Rolle innerer Sicherheit unter die Lupe genommen. Jetzt will man wissen, wie der Flaneur von heute sich durch die Stadt bewegt und mit welchen Augen er sie sieht. Ein Thema für die Hauptsaison. Die beginnt nach Fremdenverkehrs-Fachleute-Übereinkunft Anfang Juni. Genau wie die Ausstellung.

Im Juni, mein Gott, das haben Zapper doch morgen wieder vergessen. Aber diesmal gilt es, sich einen Knoten in den Kalender zu machen. Beachtliches wird erwartet: Künstler aus aller Welt präsentieren ihre Blickwinkel auf Urbanität. Bremen als Kaleidoskop: Schütteln und staunen.

Sie kennen keinerlei Gedenkstätten für Flugzeugabstürze in Bremen? Im Rahmen von Tourist City werden welche entstehen, auch ohne dazugehörige Katastrophe. Der voyeuristische Blick auf das Leiden anderer ist zwar fester Bestandteil unserer Kultur, aber kritisch vorführen kann man ihn ja trotzdem mal.

Doch es gibt auch unangenehmes Pflichtprogramm: Keine Lust auf den Spazierrundgang durch Schnoor, Böttcherstraße und Dom, und um vier schon wieder im Viertel sein? Klingt genau wie ein Fall für Hiltrud Gauf und Natalie Espinosa. Die beiden bieten mit der fiktiven Service-Agentur WirFürSie Erlebnisvertretung an.

Ungefähr jede menschliche Aktivität ist in Dienstleistung formulierbar. Und in den meisten Fällen ist das sogar bereits passiert – Dienstleistung als Medium. Medien selbst als Multiplikator von Stadtbildern sind Tourist Citys Lieblingsthema, bieten sie doch die Möglichkeit für neue Mobilität und andere Wahrnehmung von Stadt. Im Spiel sind, man ahnt es, auch neue Marktideen und, trotz kritischer Distanz, auch der eigene Beitrag zur Kulturhauptstadtbewerbung Bremens.

Es geht immer um uns alle, denn, so Kandzia, „der Stadtbewohner wird zum Touristen in der eigenen Stadt.“ Robert
Best

Tourist City: 3.-27. Juni, Bremen