: Der neueste Häschenwitz
Zwischen Talkshow und Comedy: Im NBI finden allmonatlich die „Berlin Bunny Lectures“ statt. Dahinter stehen zwei Berliner Autorinnen, die sich auf der Bühne selbst als „Bunnies“ bezeichnen
VON SANDRA LÖHR
Es geht um Amerika. Genauer gesagt um die „Supatopmacht Amerika“. Auf einem weißen Stück Papier, das an die Wand gepinnt ist, werden die Umrisse der USA aufgemalt. Jedenfalls so ungefähr. Dann wird über den Krieg diskutiert, über die Indianer und über so wichtige Fragen wie: Warum haben die USA eigentlich keinen Kaiser und warum heißt ihr Chef Mr. President?
Zwischendurch liest eine dunkelhaarige Frau auf der Bühne einen Text vor, in dem es um ihre Erlebnisse während eines einjährigen Schüleraustauschs in einem Provinzkaff im Mittleren Westen geht. Dann gibt es noch ein bisschen Musik – ein Bruce-Springsteen-Song mit abgewandeltem deutschen Text – hin und wieder eine kurze Diskussion mit den Gästen, und gewinnen kann man auch was: scheußlich-schöne Bilder, auf denen eine amerikanische Highschool-Schönheit mit aufgeplusterter Dauerwelle und hochgekrempelten Jeansjackenärmeln zu sehen ist. Zum Schluss wird noch der Supatopscheck verliehen. 30,50 Euro gehen als humanitäre Hilfe an das kritische Haushaltsdefizit der US-Amerikaner. Vielleicht hilft es ja, sagt die dunkelhaarige Frau strahlend in das Bühnenlicht hinein, während sie den Scheck triumphierend hochhält.
Ein Abend im NBI an der Schönhauser Allee bei den „Berlin Bunny Lectures“. An jedem letzten Mittwoch im Monat findet hier eine Art musikunterstützte Talkshow mit anschließender Diskussionsrunde statt. Man könnte das Ganze auch Comedy nennen. Aber irgendwie trifft es die Sache nicht so richtig, denkt man da doch gleich an RTL oder Anke Engelke. Denn eigentlich geht es bei den Bunny Lectures nicht ums Witze reißen, und auch nicht um eine ironiegeschwängerte Show á la Harald Schmidt. Sondern schlicht um den Versuch, ein Thema aus der Perspektive zweier naiver Kunstfiguren zu verhandeln.
Die nennen sich Supatopcheckerbunny und Hilfscheckerbunny und haben zwar nicht so richtig den Durchblick, sind dafür aber unerträglich nett und naiv. Sie unterhalten sich gerne über ernsthafte Sachen und sagen Sätze wie: „Willst du keine Sorgen, verschiebe nichts auf Morgen!“
Ein paar Tage später sitzen Ulrike Sterblich alias „Supatopcheckerbunny“ und Stese Wagner alias „Hilfscheckerbunny“ in einem Café in Prenzlauer Berg und trinken Apfelsaftschorle. Von den Bunnies erst mal keine Spur. Am Tisch sitzen zwei gut aussehende Frauen um die dreißig, von denen die eine ihr Geld als Texterin in der Werbebranche verdient und die andere mit Tex Rubinowitz die Abenteuer des Supatopcheckerbunny für die Zeitschrift Titanic erfindet. Warum setzt man sich also auf eine Bühne und stellt als Bunny scheinbar ganz naive Fragen zu ganz normalen Themen?
„Das sind ja nicht unbedingt naive Fragen. Es geht schon um ernsthafte Sachen – so wie zum Beispiel um Amerika in der letzten Veranstaltung. Ich würde es aber nicht als naiv bezeichnen. Man betrachtet die Sache eben mal aus einem anderen, leicht angeschrägten Blickwinkel“, sagt Ulrike. Ein Konzept hätten sie von Anfang an nicht gehabt, ergänzt Stese. „Das hat sich einfach so ergeben.“
Dieser quasi-komödiantische V-Effekt sorgt dafür, dass bei ihren Lesungen oft Sätze fallen, die sich scheinbar banal anhören, aber manchmal mehr aussagen, als es ein komplizierter Satz könnte. So, als ob man sich auf dem Kika die Kindernachrichten anschaut und einen echten Erkenntnisgewinn davonträgt, weil man endlich mal den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern in einfachen Worten erklärt bekommen hat.
Aber wozu das Wort „Bunny“ aus dem Playboy’schen Kosmos eines Hugh Hefner? „Was den Namen Bunny angeht, sehen wir uns natürlich schon in der Tradition eines Girlietums – also einfach Frauen, die relativ erfolgreich waren und trotzdem mit so einem gewissen Mädchenklischee gespielt haben. Aber cool finde ich das ja nicht, dieses Girlietum“, sagt Stese.
Offenbar verstehen auch nicht alle gleich das Richtige darunter: „Vor ein paar Tagen wollte jemand ein Interview mit uns am Telefon machen, der uns gar nicht kannte – nur unseren Namen: „Bunnies“. Das war irgendwie merkwürdig. Als er dann verstanden hatte, dass das irgendwas mit Ironie zu tun hat, hat er gesagt: „Ach so, dann ist das also nur ein Trick. Ihr lockt die Männer damit zu euren Veranstaltungen und dann ist das gar nicht so. Dann macht ihr da was Intellektuelles?“ Da haben wir nur gesagt: Weder noch. Wir locken nicht, und wir machen auch nix Intellektuelles. Es kommen nämlich auch Frauen.“
Bleibt die Frage, was eigentlich ein Bunny ausmacht? Für Ulrike und Stese ist die Sache klar. Das Bunnysein ist auf keinen Fall vom Geschlecht abhängig, im Gegenteil. Auch Männer sagen oft Bunny-Sätze, finden sie.
Und was sind typische Bunny-Sätze? „Zum Beispiel wenn mir ein Mann erzählt, er gehe nicht ins Fitness-Studio, um gut auszusehen, sondern ‚um sich wohlzufühlen‘.“ Aber am liebsten sagen Bunnies Sätze wie: „Also ich finde, zum Menschen gehört auch Erotik dazu! Auch Menschen, die schlecht angezogen sind, brauchen Liebe! Die wollen auch nur leben!“
Die nächsten „Berlin Bunny Lectures, Volume IV“ finden am Mittwoch, den 28. 4. um 20 Uhr im NBI, Schönhauser Allee 157, Prenzlauer Berg statt. Thema ist: Tiere & Insekten, Gäste u. a.: Ausnahme-Entertainer Fil und Wolfgang Herrndorf (Autor „In Plüschgewittern“). Mehr Infos und Comics vom Supatopcheckerbunny findet man unter: www.supatopcheckerbunny.de
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