„Das ist Millimeterarbeit“

Das ZDF hat derzeit große Aufgaben zu bewältigen und steht zunehmend unter Rechtfertigungsdruck. Intendant Markus Schächter über die Gebührendiskussion, Info-Offensiven und die ewige Jugend

INTERVIEW STEFFEN GRIMBERG

taz: Auf den gestern zu Ende gegangenen „Mainzer Tagen der Fernsehkritik“ haben Sie eine Info-Offensive ausgerufen. Das erinnert an RTL und Sat.1.

Markus Schächter: Nein, wir haben akzentuiert, was zu diesem Thema zu sagen ist. Wir feilen an unserer Spitzenposition. Das ist nicht vergleichbar mit der 27. Info-Offensive eines Privatsenders. Außerdem freuen wir uns, wenn in einer zentralen Säule von TV-Programm – eben der Information – mehr Konkurrenz entsteht. Das tut allen gut.

Auch ein Ausbau der Spitzenposition kostet Geld. Davon soll es nach dem Willen der Politik aber weniger geben. Können Sie mit dem Verlauf der Gebührendebatte zufrieden sein?

Ich glaube, wir haben uns miteinander, Sender und Politik, sowohl beim Zeitplan wie bei der Zielvorstellung etwas vorgenommen, was gleichzeitig ehrgeizig ist und allen Beteiligten nützt.

Ist das wirklich ein Erfolg? Sind Sie nicht eher vor der Politik eingeknickt?

Die Politik hat einen Weg gefunden, mit uns in einer vernünftigen Form eine Brücke zu schlagen. Da war das ZDF mitbeteiligt, die entsprechenden Wegweiser zu beschriften. In einer so schwierigen Situation – wirtschaftlich wie gesamtgesellschaftlich – ist es klar ein Erfolg, wenn wir uns so einigen können, dass die KEF und ihr Gebührenvorschlag nicht beschädigt wird.

Die von der KEF vorgeschlagene Erhöhung um 1,09 Euro ab 2005 ist doch so gut wie vom Tisch.

In der momentanen Situation gibt es unterschiedliche Komponenten, die von den Ländern der KEF zur Reduzierung bestehender Vorstellungen zur Erhöhung vorgelegt werden. Und es gibt andere Komponenten, die an ARD und ZDF gehen. Da muss man schauen, wie sich das Ganze verteilt. Es geht jetzt darum, ob doch noch kurzfristig Einsparmöglichkeiten gefunden werden können, die wettbewerbsverträglich sind. Ein typisches Beispiel ist Marketing. Und auch auf den Personalaufwand wird die Politik bestimmt noch einmal zurückkommen.

Und wann fällt die endgültige Entscheidung? Ursprünglich sollte das im März passieren.

Die März-Erwartung war sicherlich viel zu kurzfristig. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz am 17. Juni erwarte ich schon eine klare Lösung …

die dann 99 Cent Gebührenerhöhung ab Januar 2005 heißt?

Es muss in jedem Falle etwas geben, was sich auch rechnen und von der KEF nachprüfen lässt.

Und wenn Sie dann endlich einen Kompromiss haben, ziehen alle wieder nach Hause – und die eigentliche Strukturdebatte ist erfolgreich abgewürgt.

Das glaube ich nicht. Das ist noch längst nicht zu Ende. Die Politik wird die Strukturdebatte nicht von der Agenda nehmen. Sie wird aber Gebührendebatte und Strukturdebatte reinlich trennen.

Welche Forderungen werden Sie da fürs ZDF anmelden?

Das ZDF wird eigene Vorstellungen proaktiv in die Debatte einbringen. Aber konkrete Vorschläge werden dann am richtigen Platz gemacht. Denn was zu früh auf den Tisch kommt, wird vom Tisch gefegt.

Bayerns Ministerpräsident Stoiber hat in Sachen Fußball-WM 2006 ARD und ZDF zur Kooperation mit den Privatsendern aufgefordert. Gehört dieser Vorschlag auch vom Tisch gefegt?

ZDF und ARD sind dank der riskanten Investition 2002 jetzt für 2006 in der Poleposition. Es gibt eine Verabredung über 24 Top-Spiele. Für alle anderen Spiele kann es Modelle geben, bei denen auch Dritte zum Zuge kommen. Über den Stoiber-Vorschlag wird zu sprechen sein. Dabei darf dann aber nicht herauskommen, dass die WM-Rechte am Ende teurer werden. Wenn sich neue Mitabnehmer finden, muss es preiswerter für alle werden.

Zumindest 2006 können Sie sich ja auf Quoten-Highlights – auch unter jüngeren Zuschauern – freuen. Wie aber sieht’s bis dahin mit der Verjüngung des ZDF-Programms aus?

Ich habe immer gesagt: Die Modernisierung des Programms ist Millimeterarbeit. Die gelingt uns an der einen Stelle besser – zum Beispiel im fiktionalen Programm und bei der Ausweitung von Wissenschaftsprogrammen – und an anderen Stellen ist es schwieriger, wie bei der Unterhaltung. Da sind wir möglicherweise mit Me-too-Projekten einen falschen Weg gegangen. Wir werden aber nicht nachlassen, diese Modernisierung fortzusetzen, ohne unsere älteren Zuschauer zu vergrätzen. Außerdem ist doch interessant zu hören, dass sich die Privaten auf einmal um die Zielgruppen kümmern, die sie früher als Kukident-Zuschauer beschimpft haben. Jetzt haben auch die Privaten gemerkt, dass die demografische Entwicklung in eine unumkehrbare Richtung geht.

Nur die Werbeindustrie setzt, zumindest was das Fernsehen betrifft, weiter auf ewige Jugend.

Natürlich werden die Älteren des Golden Age auch für die Werbeindustrie zunehmend interessanter. Das Dogma von der jugendlichen Zielgruppe 14 bis 49 ist doch eine Schimäre, die längst auf dem Müllhaufen gelandet sein müsste. Wir trommeln da unaufhörlich in diese Richtung. Es wird kommen.