Grüne reden Hanau endgültig tot

Eine dürre Erklärung der Chinesen, ein Lächeln von Joschka Fischer: Vieles, wenn auch nicht alles, spricht dafür, dass der Export der Hanauer Atomfabrik nach China vom Tisch ist. Die Grünen feiern schon mal ihren Sieg – und schaffen damit neue Fakten

AUS BERLIN JENS KÖNIG

Wie er denn die Erklärung des chinesischen Außenministeriums bewerte, dass die Verhandlungen über die umstrittene Lieferung der Hanauer Plutoniumfabrik an China eingestellt seien, wird Joschka Fischer gefragt. Fischer steht im Gelben Salon des Auswärtigen Amtes in Berlin. Er zieht seine Stirn in Falten und sagt zwei Sätze aus dem Diplomatenhandbuch: „Ich habe die Erklärung der chinesischen Seite mit Interesse zur Kenntnis genommen. Mehr kann ich als Minister, der für das Prüfverfahren der Bundesregierung zuständig ist, nicht sagen.“ Die Kameras gehen wieder aus. Und plötzlich strahlt der Herr Staatsmann wie ein Honigkuchenpferd.

Freut sich Fischer, weil er weiß, dass die rot-grüne Koalition eine Zeitbombe entschärft hat? Nun sollte man sich auf das Lächeln des Außenministers prinzipiell nicht verlassen. Aber man darf davon ausgehen, dass Fischer mehr weiß, als die dürre Erklärung der Chinesen hergibt. Also dürfte es kein Zufall sein, dass der Minister sagt, er habe die Worte „mit Interesse“ zur Kenntnis genommen. Wenn Diplomaten so reden, dann signalisiert das eigentlich, dass sie sich über die zu kommentierende Botschaft freuen.

Ist demnach der Export der Hanauer Plutoniumfabrik nach China, der in der Bundesregierung monatelang für Streit zwischen SPD und Grünen und einmal sogar für einen lauten Wortwechsel zwischen dem Kanzler und dem Außenminister gesorgt hat, vom Tisch?

Vieles spricht momentan dafür, wenn auch nicht alles. Keiner weiß wohl ganz genau, welches chinesische Wort da gerade übersetzt wurde, dass es am Ende heißt, die Verhandlungen zwischen den chinesischen Firmen und Siemens seien „eingestellt“ worden.

Möglicherweise sind die Verhandlungen nur „abgebrochen“ worden und sollen wieder aufgenommen werden, wenn in Berlin eine andere Regierung am Ruder ist. Es ist nicht ganz auszuschließen, dass die Chinesen auf Zeit spielen.

Andererseits ist der Zeitpunkt der Erklärung wohl alles andere als Zufall. In der nächsten Woche kommt der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao auf Deutschlandbesuch, und der Premier dürfte vor seinen Gesprächen mit Gerhard Schröder und Joschka Fischer das Thema Hanau so oder so vom Tisch haben wollen – schon allein, um sich hier unangenehme Fragen oder gar Proteste von Greenpeace zu ersparen.

Das stärkste Argument dafür, dass China auf den Kauf der Atomfabrik endgültig verzichtet hat, dürfte allerdings die politische Gefechtslage in Berlin sein. Die Grünen haben sich gegen den Export, den Schröder bei seinem Chinabesuch im Dezember 2003 schon abgesegnet hatte, mit Händen und Füßen gewehrt. Sie protestierten, stellten immer wieder neue Hürden für das Geschäft auf und zogen sogar ihren anfangs sehr zögerlichen Außenminister auf ihre Seite. Als Fischer Schröder vor ein paar Wochen dann sogar mit Koalitionsbruch gedroht hatte, konnte auch der Kanzler nicht mehr so, wie er wollte. Selbst Siemens hatte am Ende der Regierung signalisiert, sie würden auch eine Nichtgenehmigung des beantragten Exports ihrer Plutoniumfabrik zähneknirschend akzeptieren.

Die Chinesen dürften von dieser Hängepartie die Nase voll haben. Also feiern die Grünen ihren Sieg, ohne hundertprozentige Gewissheit zu haben. Aber selbst damit schaffen sie schon wieder eine neue Lage. Sollten es sich China oder Siemens noch mal anders überlegen, dann würden sie ab jetzt eine Abwehrschlacht führen – gegen den öffentlichen Eindruck, Hanau sei doch schon längst tot.