Dosen runter

Holsten-Konzern fordert Schluss mit dem Dosenpfand. Zu viele Flaschen und zu wenige Trinker. Aktionäre dürfen sich dennoch an üppiger Dividende berauschen

von SVEN-MICHAEL VEIT

Mit dem Dosenpfand kann Andreas Rost keinen Frieden schließen. Während das Bundeskabinett gestern in Berlin die neue Verpackungsverordnung beschloss, mäkelte der Chef des Hamburger Holsten-Konzerns über das „Zwangspfand“. Es „bevormundet Konsumenten“, behauptete Rost auf der Jahreshauptversammlung des größten deutschen Bierkonzerns im CCH, und „behindert den freien Handel in Europa“.

Deshalb müsse das Pfand auf Dosen und andere Einwegverpackungen zumindest „ausgesetzt werden“, forderte Rost, zumal es Arbeitsplätze gefährde. Seit Einführung des Pfandes am 1. Januar sank im Gesamtkonzern (siehe Kasten) der Anteil von Einwegverpackungen um 70 Prozent, der Pfandflaschenanteil nahm hingegen nur um 43 Prozent zu. Unterm Strich steht ein Rückgang beim Bierabsatz von 11,4 Prozent in den ersten vier Monaten dieses Jahres. Sollte diese Entwicklung anhalten, stellte Rost unmissverständlich klar, „werden zwingenderweise Standortschließungen die Folge sein müssen“. Welche der sieben deutschen Braustätten des Konzerns mit Hauptsitz an der Holstenstraße in Altona er im Auge habe, sagte Rost nicht.

Dafür erfreute Rost den Großaktionär (48,4 Prozent) und Aufsichtsratsvorsitzenden Christian Eisenbeiss sowie die anderen Anteilseigner mit der Ankündigung einer Dividende von 45 Cent pro Aktie. Denn im Vorjahr war der gesamte Getränkeabsatz des Konzerns um 5,4 Prozent gestiegen; der Jahresabschluss 2002 weist mit 117 Millionen Euro den „bisher höchsten Ertragswert“ in der Holsten-Geschichte auf und einen Überschuss von 10,4 Millionen Euro. „Mit dem Geschäftsverlauf“, bilanzierte Rost, „sind wir sehr zufrieden.“

Die Zukunft aber sieht er düster. Sollte sich „das Konsumverhalten“ nicht deutlich verbessern, stehe Holsten und der gesamten Bierbranche „ein schwieriges Jahr“ bevor. Daran sei nicht nur der wegen der lahmenden Konjunktur verminderte Durst der Deutschen Schuld, sondern vor allem „die erheblichen Verwerfungen“ auf dem Markt wegen der „Zwangseinwegbepfandung“. Mit Kurzarbeit und einer „Redimensionierung“ der Beschäftigtenzahlen sei der Konzern durch das erste Halbjahr gekommen, von weiteren „Anpassungen“ sei aber „gegebenenfalls Gebrauch“ zu machen – in der Hoffnung, betriebsbedingte Kündigungen „wie bisher vermeiden zu können“.

Eisenbeiss versicherte, er denke „gegenwärtig“ nicht an einen Verkauf seiner Anteile und damit faktisch des Konzerns. Denn Heineken (Niederlande) und Interbrew (Belgien) liefern sich zurzeit einen harten Kampf um die Marktführerschaft in Europa und schlucken – wie kürzlich Beck‘s in Bremen und Gilde in Hannover – jede Brauerei, derer sie habhaft werden können. Auf die Feindschaft.

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