Beseelter Feuerwerker

Torsten Ranft ist geradezu zwanghaft Schauspieler. Als gerechten Ausgleich für seine Obsession erhält er am Sonntag den Kurt-Hübner-Preis 2003

Er befindet sich keinesfalls auf einer einsamen Straße nach Nirgendwo. Trotzdem ist er ständig in Bewegung: „Stillstand ist Tod“, sagt er. Künstlerischer Tod vor allem: „Ich bin ein Reisender.“ Nie bleibe er länger als vier, fünf Jahre an einem Ort. Der Weg ist das Ziel? Im Falle von Torsten Ranft scheint es zu stimmen. Insofern muss der Kurt-Hübner-Preis als eine Wegmarke bezeichnet werden. Diese Auszeichnung verleihen dem 42-jährigen Ensemblemitglied am Sonntag die Bremer Theaterfreunde Der Grund: Ranft sei in dieser Spielzeit „herausragend aufgefallen“.

Wenn man sich mit Ranfts beruflichem Werdegang beschäftigt, mag es erstaunen, dass der gebürtige Leipziger ausgerechnet in die Bremer – von bösen Zungen als provinziell verschrieene – Theaterfamilie „eingeheiratet“ hat. Sieht Torsten Ranft selbst aber gar nicht so. Er schätzt das „Niveau des Bremer Theaters hoch“ ein. Wenn das einer sagt, der jahrelang an Theatern wie der Berliner Volksbühne oder dem Bochumer Schauspielhaus engagiert war, will man kaum daran zweifeln.

Der Schauspieler macht sein Urteil hauptsächlich an der Qualität der Regisseure und der Arbeitsweise und -atmosphäre fest. Und auch da ist Ranft bisher recht verwöhnt: Kriegenburg, Haußmann, Castorf sind Regisseure, die ihn und seine Arbeit bisher prägten. „Für mich ist vordergründig nicht die Stadt, sondern die künstlerische Partnerschaft wichtig.“ Aus der will er gewinnen, die müsse ihm alles abverlangen. „Die Chemie muss stimmen.“ Dies sei einer Liebes- oder Familienbeziehung nicht unähnlich. „Ich kann gar nicht anders als Schauspieler zu sein. Das steckt einfach in mir und das muss raus, sonst platze ich!“

Wer Ranft auf der Bühne erlebt, darf sich auf ein beseeltes Feuerwerk gefasst machen. Beispielsweise als „Jude von Malta“. Hier war der Regisseur Michael Talke am Werk, den Ranft schon seit langem kennt und schätzt. Talke inszenierte dann auch Bert Brechts „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ – Ranft gibt den Puntila, und in Elfriede Jelineks „In den Alpen“ spielt er das Kind. Oder ganz aktuell: Die Titelrolle in der Kresnik-Inszenierung „Vogeler“. Kein Zweifel, der mit 5.000 Euro dotierte Hübner-Preis, benannt nach dem legendären Bremer Intendanten der 60er Jahre, geht an die richtige Adresse.Torsten Ranft bleibe in allem ein Ensemblemensch pur, wie außergewöhnlich und unverwechselbar auch immer er seine Figuren leuchten, ja brennen ließe, begründet die Jury ihre Wahl. Dabei reiht sich der Preisträger in eine ganze Anzahl vom Bremer Theater mit Vorliebe rekrutierter ostdeutscher Schauspieler ein, die in den vergangenen Jahren mit dem Hübner-Preis geehrt wurden: Gabriela Maria Schmeide etwa oder Jördis Triebel. Weitere Gemeinsamkeit: alle drei haben die Berliner Schauspielhochschule Ernst Busch absolviert.

Was nun Bremen als zeitweise Heimat des Schauspielers anbelangt: Ganz so unwichtig ist Ranft die Stadt nun auch wieder nicht. Vielmehr nimmt er sie als „engagierte Kulturstadt“ wahr. So entdeckt man den rotblonden Schopf Torsten Ranfts hin und wieder auch in den hiesigen Off-Theatern oder in Ausstellungen. Besonders begeistert ihn die Vielzahl an Programmkinos. Film tangiert ihn schließlich auch: Rollen hatte er in diversen Fernsehspielen, in einem „Polizeiruf 110“-Krimi und im Kinoerfolg „Sonnenallee“. „Die Bewerbung zur Kulturhauptstadt“, meint er, „kann kulturpolitisch nur nützen.“ Das sei wie ein Brennglas auf die Szenen Bremens, das deren Wichtigkeit und Unerlässlichkeit für das urbane Leben hervorhebe.

Daniela Barth

Der Festakt findet statt am Sonntag um 20 Uhr im Schauspielhaus