„Wir wollen die Zahlen kontern“

CDU-Fraktionschef und Finanzexperte Nicolas Zimmer will mit eigenen Streichvorschlägen warten, bis der Haushaltsentwurf des Senats vorliegt

taz: Herr Zimmer, Sie haben eigene Sparvorschläge der CDU angekündigt. Wo bleiben die?

Nicolas Zimmer: Die kommen auf Grundlage des Haushaltsplanentwurfs des Senats, weil wir uns mit aktuellen Zahlen auseinander setzen und sie kontern wollen. Aus der hohlen Hand wäre das wenig sinnvoll.

Anders als in einem früheren Papier zur Haushaltskonsolidierung soll es weit reichende konkrete Streichvorschläge geben. Warum erst jetzt?

Wir haben auch in dem damaligen Papier schon einige konkrete Vorschläge gemacht …

nicht genug, haben Sie selbst eingeräumt.

Das hat etwas mit einem Erkenntnis- und Umdenkprozess zu tun. Nach aktuellen Umfragen wollen 77 Prozent der Berliner keine weiteren Sparvorschläge mehr hören. Da ist es für eine Partei eine Gratwanderung zwischen Verantwortung für das politische Allgemeinwohl und Akzeptanz für die eigene Politik. In diesem Spagat bewegt sich die CDU seit geraumer Zeit. Von jetzt an, glaube ich, wird sie sich tendenziell weniger von Meinungsumfragen leiten lassen.

Dass Sie erst jetzt konkret kürzen wollen – liegt das auch daran, dass Sie bis vor kurzem „nur“ Haushaltsexperte und noch nicht Fraktionschef waren? Sie sehen ja selbst jetzt noch wenig Gegenliebe bei Ihren Fachpolitikern.

Eines ist natürlich klar: Mit der Autorität des Fraktionschefs ist die Möglichkeit größer, die Diskussion voranzutreiben.

Das ist wohl nicht so leicht. Gerade meldet sich per Fax Ihr sozialpolitischer Sprecher und geißelt die Vorschläge zur Gesundheitsreform, auf die sich CDU und CSU im Bundestag am Dienstag einigten.

Ich habe die Erklärung gesehen. Die bundespolitische Diskussion würde ich aber mal losgelöst von der Frage betrachten, inwieweit wir in der Lage sind, konkrete Reformvorschläge für den Landeshaushalt zu machen.

In der rot-roten Koalition ist vor allem der Vorschlag von Finanzsenator Sarrazin umstritten, die Sozialhilfe auf Brandenburger Niveau abzusenken. Würde das auch ein Finanzsenator Zimmer vorschlagen?

Bei der Sozialhilfe gibt es zwei Komponenten: die Höhe der Zahlungen und die Gründe dafür. Beides werden wir uns sehr genau angucken und nicht nur rein unter Spargesichtspunkten. Ich halte wenig davon, auf Kosten der sozial Schwächsten Kürzungen zu betreiben. Was ich allerdings auch nicht richtig finde, sind Missbrauch und eine Sozialhilfe, die nicht mehr animiert, sich eine Arbeit zu suchen, wenn sie denn vorhanden ist.

Beim CDU-Parteitag hat Ihr neuer Landeschef Zeller sich gegen Hilfe von außen gewandt: „Berlin schafft es nur allein“, sagte er. Soll das Land etwa nicht auf Bundeshilfen klagen?

Doch, natürlich. Aber wir werden nur Bundeshilfen bekommen, wenn der Sparwille in der Stadt vorhanden ist. Die Strukturen hier müssen wir schon selber verändern – der Bund kann das nicht. Es geht Joachim Zeller und mir insbesondere darum, gegen die Illusion von einem weißen Ritter anzugehen, der uns aus diesem Schlamassel befreit. Selbst wenn wir entschuldet werden, haben wir immer noch ein strukturelles Defizit.

Während der Senat zum Haushalt 2004/2005 tagt, liegt beim Landesverfassungsgericht noch die Oppositionsklage zum aktuellen Haushalt, den Sie für verfassungswidrig halten. Wieso tut sich da nichts?

Alle Meinungen sind ausgetauscht, alle Schriftsätze gewechselt. Aber wie ich höre, wird es mit einem Urteil vor Herbst nichts, was ich bedauere. Ich würde mir wünschen, dass das Gericht rechtzeitig eine Grundsatzentscheidung fällt, bevor wir eventuell auch gegen den neuen Haushalt klagen müssen.

INTERVIEW: STEFAN ALBERTI