Warschau stark verschüchtert

Beim EU-Wirtschaftsgipfel sorgt ein massives Polizeiaufgebot für Demoschwund

WARSCHAU taz ■ Parolen wie „Globalisierungsgegner! Demoliert uns nicht die Hauptstadt“ und „Die Krankenhäuser sind bereit“ haben gewirkt: Bei der gestrigen Demonstration gegen den Europäischen Wirtschaftsgipfel, dessen rund 800 Teilnehmer über die „EU der 25“ tagten, traute sich kaum jemand auf die Straße. Rund 1.000 Demonstranten zogen – von 13.000 Polizeikräften bewacht – schließlich durch eine Stadt, die aussah, als stünde ein Krieg bevor.

Aus Angst vor Krawallen waren Läden, Restaurants und selbst Blumenkioske entlang der Demonstrationsroute mit dicken Holzbrettern verrammelt. Die Notenbank und das McDonald’s-Restaurant daneben waren Festungen aus Stahl und Eisen. Alle paar hundert Meter stand ein Wasserwerfer. Über den Demonstranten kreiste ein Hubschrauber.

Arkadiusz Zajaczkowski von der anarchistischen „Koalition der Freiheitsgruppen des Gegengipfels Wa 29“ hatte mit mindestens 3.000 bis 5.000 Teilnehmern gerechnet. Noch eine Woche vor dem Gipfel versicherte er: „Wir werden nicht alleine sein. Es schließen sich uns Arbeitslose an, unzufriedene Bergleute und Stahlkocher, vielleicht die Grünen.“ Der Alpinist und Bergführer beteuerte immer wieder, dass keinerlei Gewalt geplant sei, keine Verwüstungen von Läden oder Prügeleien mit den Polizisten. Allerdings konnte man auf der Website der „Koalition“ anderes lesen: „Als Organisatoren der antiglobalistischen Proteste wollen wir die Politiker beruhigen, die den Wirtschaftsgipfel vorbereiten. Egal wo sie sich verstecken – im Kulturpalast, im Nationaltheater, im Hotel Gromada oder einem anderen Loch – wir finden sie! Schon heute können wir die Tage des Straßenkarnevals kaum erwarten, wenn wir den eingebildeten Eliten ihren Ball verderben.“

Doch die Demonstration verlief friedlich, wie auch die Seminare und Vorträge auf dem Gegengipfel, die deutlich besser besucht waren. Hier stahlen die internationalen Konflikte klar den europäischen Themen die Schau: Beim „Alternativen Wirtschaftsforum“ hieß die Frage: „Wo ist die Grenze zwischen Israel-Kritik und Antisemitismus?“ und „Ist Frieden im Nahen Osten überhaupt noch möglich?“. Immerhin das „Forum der Neuen Linken“ ließ „Schwarzarbeiter unter Tage“ zu Wort kommen, arbeitslose Bergarbeiter, die in Schlesien unter Lebensgefahr Kohle in illegalen Stollen abbauen und zu einem Hungerlohn verkaufen.

Der vom Schweizer Weltwirtschaftsforum organisierte und zahlreichen Konzernen gesponserte EU-Wirtschaftsgipfel diskutiert Anforderungen an die Europäische Union angesichts der Erweiterung am 1. Mai und geht heute zu Ende. Der slowakische Präsident Rudolf Schuster – sein Land wird morgen Teil der EU – nannte als Hauptsorgen ein langsames Wirtschaftswachstum und Arbeitsplatzmangel in der erweiterten Union. Auch der portugiesische Staatschef Jorge Sampaio warnte vor einer Entfremdung der Bürger gegenüber der EU, die nur durch Wirtschaftswachstum verhindert werden könne. GABRIELE LESSER