Tschechien: Fürst Václav wies die Richtung

Im böhmischen Bäderdreieck liegt die geografische Mitte Europas. Das meint man zumindest in Tschechien, doch auch Litauen beansprucht diesen Ort für sich. Hängt eben immer davon ab, wo man die Grenzen Europas zieht.

Für Prag ist das ziemlich klar. Während der erste christliche Fürst Václav 935 noch dafür umgebracht wurde, dass er Böhmen westwärts orientieren wollte, ist für die meisten der zehn Millionen Tschechen Europa heute spätestens bei Bratislava zu Ende. Aber man blickt auch auf die Slowaken, immerhin 75 Jahre Mitbürger im gemeinsamen Staat, mit Überheblichkeit herab.

Das goldene Prag, zweimal Hauptstadt des Deutschen Reichs, im Zentrum von Hussiten- und Dreißigjährigem Krieg, berühmt für seine Fensterstürze und den einzigen politischen Frühling des Sozialismus – Gründe für den Stolz der Tschechen gibt es genug. Auch heute: Prag ist die prosperierendste Region der zehn Beitrittsstaaten. Wer in den rosa und hellgrünen Barockpalais der Altstadt zum Mittagessen geht, trifft bei Pasta und Pivo die gleichen jungen Businessmen und -women wie in Berlin. Und zahlt auch (fast) das Gleiche.

Vorerst freilich nicht in Euro, sondern in Kronen. Der neoliberale Staatspräsident Václav Klaus wird nicht müde, vor der Brüsseler Bürokratie zu warnen und auf finanzpolitische Unabhängigkeit zu pochen. Lieber wäre es ihm wohl, Tschechien würde der EU nicht beitreten. Aber er ist Ökonom genug, um zu wissen, dass dies seinem Land schaden würde. Bei philosophisch-politischen Fragen halten sich die Tschechen zudem immer noch lieber an die beiden anderen wichtigen Václavs ihrer Geschichte: den ermordeten Fürsten und seinen Nachfolger Havel. Präsident wurde er mit dem Schlagwort „Rückkehr nach Europa“. HER