Der Geist Faßbenders hat gesiegt

Tore statt Show: Letztendlich setzte sich auch bei „ran“ das gute alte „Sportschau“-Rezept durch

Das Maulen über die fröhlichen Kickverkäufer von Kirchs Gnaden wollte niemals verstummen

BERLIN taz ■ Nun also wieder Sportschau! Einige werden sich noch dunkel erinnern: Urtümliches Fernsehen öffentlich-rechtlichster Prägung, bieder, sachlich, dröge. Eine abscheuliche Fanfare, die einen noch nicht ganz so Graubärtigen ankündigte, der ein mainzelmännchenhaftes „Gutenabendallerseits“ plärrte, um sich sogleich in eine ausführliche Darlegung dessen zu stürzen, was der jeweilige Bundesligaspieltag bringen mochte. Danach Tritte, Tore, Tragödien, begleitet von den Stimmen der üblichen Verdächtigen (Rubenbauer, Hansch, Wontorra), atemlosen Kommentaren der Protagonisten („Ja gut, es war das erwartet schwere Spiel“) und sparsamen Zwischenmoderationen. Genau das also, was sich der Fußballfreund wünscht, wenn er sich samstags um sechs vor den Fernseher setzt.

Regierungschefs stürzten, Staaten zerfielen, Imperien bröckelten, die Nationalmannschaft kam auf den Berti, nur die „Sportschau“ schien ewig. Doch dann sprach im Mai 92 ARD-Verhandlungsführer Albert Scharf den bedeutungsschweren Satz: „Die Erstrechte sind nicht mehr erreichbar.“ Aus für die „Sportschau“, zu Grabe getragen von einem echten Brutus. Faßbender-Zögling Reinhold Beckmann hatte Seite wie Sender gewechselt, und Gewaltiges vor bei Sat.1: eine echte, aufregende Fußballshow! Kein müdes Monologisieren à la ARD, kein manisches Töpperwien-Genicke wie im ZDF, keine zähe Netzer-Potofski-Fachsimpelei wie beim Dreistundenmonster „Anpfiff“ auf RTL, das nach zwei Jahren einsamen Strebens kläglich gescheitert war. Statt grauer Anzüge leuchteten nun rote Jeansjacken, statt hubertyhafter Hausmannskost sollte es „Crack für den Sportfan“ (taz) geben – „ran“ war geboren, Hollywood hatte den Fußball erobert.

Elf oft quälerische Jahre später wirken Beckmanns Visionen altbackener als die des Nostradamus. Längst ist er, ebenso wie sein einstiger Mitstreiter und Bruder im Geiste, Johannes B. Kerner, in den Schoß der öffentlich-rechtlichen Mutter zurückgekehrt, nachdem beide erkannten, was ihre wahre Bestimmung ist: lahmarschiger Talkshow-Host. Selbst die These, dass es die schönrednerischen „Ran“-Schmeißer von Sat.1 waren, die den Fußball-Boom der Neunziger hervorriefen, gilt inzwischen als fragwürdig. Das Maulen über die fröhlichen Kickverkäufer von Kirchs Gnaden wollte niemals verstummen, die Einschaltquoten blieben labil, Jahr für Jahr häufte man dicke Defizite an – 50 Millionen Euro allein letzte Saison. Still und heimlich wurde ein Showelement nach dem anderen fallengelassen, nur die eigentliche Crux, die elenden Werbeblöcke, bekam man nicht weg.

Abgesehen davon, hatte sich „ran“ am Ende praktisch wieder dem angenähert, was Heribert Faßbender einst als die einzig wahre Form einer samstäglichen Bundesliga-Berichterstattung postuliert hatte: Tore, Tore, Tore! Kein Spielbericht länger als acht Minuten! Keine Moderation länger als eine Minute! Was zu denken gibt, sollte die künftige Sportschau tatsächlich 90 Minuten dauern, wie verlautet. Sieben Spiele, sieben Anmoderationen – 63 Minuten. Was passiert in der restlichen halben Stunde? Eingedenk der Zeittotschlagpraktiken bei den großen Fußballturnieren macht sich schon mal ein leichtes Grausen breit. MATTI LIESKE