Nach der Festnahme erst mal zum Friseur

Milorad Luković, der Hauptverdächtige für den tödlichen Anschlag auf Serbiens Premier Zoran Djindjić, stellt sich in Belgrad den Behörden. Der plötzliche Sinneswandel des Clan-Chefs sorgt in Serbien für Aufregung. Hintergründe des Attentats weiter unklar

AUS BELGRAD ANDREJ IVANJI

Die Nachricht schlug Sonntagnacht in Serbien wie eine Bombe ein: Milorad Luković, genannt Legija, der Hauptverdächtige für das Attentat auf Premier Zoran Djindjić, hat sich den Behörden gestellt. Einer der meistgesuchten Männer Europas ließ sich seelenruhig vor seinem Haus in Belgrad von der Polizei abholen, fuhr in unbekannter Richtung ab und kam erst fünf Stunden nach der Festnahme begleitet von drei Jeeps im Belgrader Zentralgefängnis an. Seine Leibwächter demolierten die Kamera des „unpatriotischen“ TV-Senders B 92, mischten sich aber ansonsten nicht ein.

Luković befinde sich in einem „normalen physischen Zustand“, verkündete das Innenministerium. Der Berufssoldat habe gleich nach der Festnahme eine Rasur und einen Haarschnitt gefordert und warte auf seine Anwälte. Die Selbstsicherheit und Ruhe, mit der sich Legija 14 Monate nach dem Mord an Djindjić ergab, sorgten in Serbien für weit mehr Aufregung, als wenn er in einer halsbrecherischen Aktion von Sondereinheiten gefasst worden wäre. Es sei „schön und gut“, dass sich Legija endlich hinter Schloss und Riegel befinde, meinte Rajko Danilović, Anwalt der Familie Djindjić.

Aber es drängen sich Fragen auf: Warum hat er sich gerade jetzt ergeben, wo hat er sich über ein Jahr lang versteckt, wer hat es gewusst, mit wem hat er über seine Festnahme verhandelt und was hat man ihm dafür versprochen? Niemand will so recht glauben, dass der durch Drogengeschäfte, Entführungen und Prostitution steinreich gewordene Boss des „Clans von Zemun“, der kriegserfahrene Kommandant der berüchtigten Kampftruppe „Rote Berettas“, plötzlich von Gewissensbissen geplagt wird und freiwillig lebenslängliche Haft in Kauf nimmt.

Einige Funktionäre der „Demokratischen Partei“ (DS) von Djindjić warnen vor der „schrecklichen“, immer spürbareren „patriotischen“, antiwestlichen Stimmung in Serbien. Legija gehört zu den „Helden“ des Kampfes für das Serbentum. Serbiens Minderheitsregierung sei von den Milošević-Sozialisten unterstützt, nationalistische Parteien versuchten Djindjić’ Mord als eine „Abrechnung unter Gangstern“ darzustellen, sagte Ex-Vizepremier Zarko Korać.

Neben dem Attentat auf Djindjić liegen gegen Legija Anklagen wegen zweifachen Mordversuchs an Außenminister Vuk Drasković vor, bei denen vier Menschen das Leben verloren. Zudem wird Legija die Entführung und Hinrichtung des serbischen Expräsidenten Ivan Stambilić vorgeworfen.

Luković (38) heuerte Mitte der Achtzigerjahre bei der Fremdenlegion an und bekam deshalb den Spitznahmen „Legija“ (Legion). Sieben Jahre war er vor allem in Afrika im Einsatz. Als der Krieg in Exjugoslawien ausbrach, kam er nach Serbien und bildete Freischärlertruppen aus. 1999 beförderte ihn Slobodan Milošević zum Kommandanten der Eliteeinheit „Rote Barettas“.

Obwohl er in Kroatien, Bosnien und dem Kosovo gekämpft und unmittelbaren Kontakt zur Staatsspitze hatte, erhob das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen nie Anklage gegen Legija. Nach dem Volksaufstand gegen das Regime Milošević im Oktober 2000 wurde Legijas kampferprobte Einheit aufgelöst. Die Regierung Djindjić bezeichnete die „Barettas“ als eine Bedrohung für die Staatsordnung.

Die Hintergründe des Attentats auf Djindjić sind noch unklar, die Ermittlung über mögliche Auftraggeber des Mordes wurden abgebrochen. Man vermutet „patriotische“ Kräfte hinter dem Attentat. Von dreizehn Angeklagten sind fünf gefasst worden. Legija ist der Einzige, der die Hintermänner nennen könnte. Wenn er will.