Pinneberg sucht Flunkerstar

Fahrscheinkontrolle als Event: Die Pinneberger Verkehrsgesellschaft macht aus der Suche nach fahrscheinfreien Nutzern der öffentlichen Verkehrsmittel ein Reality-Show-Format

von LENA ULLRICH

Die Suche nach Schwarzfahrern ist in Hamburg ein schlechtes Geschäft. Von 40 Euro Strafgeld gehen 15 Euro für Bearbeitungs- und Gerichtskosten ab.

Seit vergangenem September verfolgt die Pinneberger Verkehrsgesellschaft (PVG) deshalb eine neue Strategie: Die Fahrscheinprüfer verstecken sich nicht mehr wie früher hinter einer Zeitung, um den ahnungslosen Fahrgästen plötzlich von hinten auf die Schulter zu tippen. Stattdessen betreten die Prüfer die Busse in auffallend roter Uniform. Oder sie kontrollieren in einem Transporter mit der Aufschrift „Fahrscheinprüfer“ stichprobenartig die aussteigenden Fahrgäste an den Bushaltestellen. „Wir wollen Schwarzfahrer nicht mehr ertappen. Es geht darum, den Fahrgästen zu zeigen, dass sich der Kauf eines Tickets gelohnt hat“, sagt Holger Kowitz, Betriebsleiter der PVG.

Gestern lud die PVG sogar öffentlich zu einer Kontrolle aller Fahrgäste am S-Bahnhof Blankenese ein. „Seien Sie dabei, wenn Schwarzfahrer verzweifelt nach Ausreden suchen,“ hieß es auf der Einladung. Um Übergriffe auf die Fahrscheinprüfer zu vermeiden, war auch die Polizei vor Ort. Für Hausfrau Elke Selmer ein genugtuender Anblick: „Ich habe für ein Jahresticket bezahlt. Warum sollen andere umsonst fahren,“ sagt sie.

Recht und Ordnung für Hamburg durch Präsenz von Uniformen. Damit ist die PVG ganz auf einer Linie mit Schwarz-Schill. „Natürlich hätte ich lieber nette, höfliche Menschen in Anzügen,“ sagt Holger Kowitz, Betriebsleiter der Pinneberger Verkehrsgesellschaft (PVG) und streicht über seine Krawatte. „Aber ich bin gezwungen, Leute einzusetzen, die sich wehren können.“ Zu zehnt jagen die Fahrscheinprüfer in seinem Revier den bösen schwarzen Fahrer. Warum eigentlich schwarz? Kowitz: „Das ist nicht rassistisch gemeint. Man sagt ja auch Schwarzarbeit. Schwarz für illegal.“

Besonders schwarz sehen die öffentlichen Busunternehmen für die Stadtteile Niendorf, Wilhelmsburg und Barmbek. Kowitz: „Das sind alles sozial schwache Gebiete.“ Selbst bei Tageslicht trauen sich die Fahrscheinprüfer nur zu viert in einen Bus. Einer sagt „Guten Tag, die Fahrkarten bitte“, einer geht herum und prüft und zwei halten den Blickkontakt mit den Fahrgästen. „Ich habe oft Bedenken. Man weiß nie, was einen so erwartet“, sagt Fahrscheinprüfer Peter Alster. „Es hängt viel davon ab, wie ich auf einen Fahrgast zugehe. Aber manchmal rasten die Leute aus. Ein Kollege liegt zur Zeit mit einem gebrochenen Rückenwirbel im Krankenhaus.“

40 Euro Strafgeld verdienen die öffentlichen Busunternehmen mittlerweile an einer Fahrt ohne gültigem Ticket. Im Jahr 2002 nahm die PVG 444.000 Euro Strafgeld ein. Wer seine Anschrift nicht nennen kann, wird an Ort und Stelle von der Polizei abgeholt. „Die Zusammenarbeit mit den Prüfern klappt gut,“ sagt Polizeibeamtin Katharina Goedecke. In seltenen Fällen, wie heute, wird sie auch zum Schutz der Fahrscheinprüfer gerufen. „Wir gehen davon aus, dass von 100 Fahrgästen einer ein Messer dabei hat,“ sagt Goedecke.