Todsünden jetzt

Tut Buße! Am besten gleich heute Abend, bei der Uraufführung der multimedialen Oper „Die sieben Todsünden“ im Kleinen Wasserspeicher Prenzlauer Berg

„Die sieben Todsünden“ im Kleinen Wasserspeicher Prenzlauer Berg, Eingang Diedenhofer Straße.Freitag, 20. Juni, bis Sonntag, 22. Juni, jeweils 21 Uhr

Vermutlich wissen 99 Prozent aller Deutschen, wer Dieter Bohlen ist. Oder Stefan Effenberg. Wer aber kennt Evagrius von Pontus? Eben. Dabei hat dieser Herr die Todsünden erfunden, was eigentlich auf jeden Fall honoriert werden sollte. Bei Evagrius gab es acht Todsünden, darunter die Traurigkeit, die später ausrangiert werden sollte. Papst Gregor, der überall seine Finger drinhaben musste (Gregorianischer Choral, Kalender usf.), reduzierte das Sündenregister auf sieben und bewertete die Sündenschwere neu. Seitdem ist die Wollust die Nummer 1 (schlimmste Sünde) und der Hochmut das Schlusslicht (bei Evagrius, dem Griechen, war es noch genau umgekehrt gewesen, er fand die Wollust nicht so schlimm, dafür den Hochmut umso mehr). Alles natürlich Dinge, die man nicht zu wissen braucht, wenn man heute Abend in die kühlen Katakomben des Kleinen Wasserspeichers geht. Dort versucht das multimediale Opernprojekt „Die sieben Todsünden“ den Spagat zwischen mittelalterlichem Chorgesang und experimenteller Musik, zwischen Hildegard von Bingen und ihrem „Ordo Virtutum“ und den „Todsünden in ihrer aktuellen Erscheinungsform“, wie es in der Ankündigung etwas rätselhaft heißt. Das würde man jetzt natürlich gern wissen, was man sich unter einer Todsünde up to date vorzustellen hat, aber da muss man sich leider bis heute Abend gedulden. Zur Einstimmung auf die Oper bietet es sich an, im Großen Wasserspeicher vorbeizuschauen, wo gerade die Klang- und Lichtinstallation „Überfluss“ zu sehen ist. Überfluss, ist das nicht auch eine Todsünde? DANIEL WIESE