„Überkapazitäten können abgebaut werden“

Studienkonten könnten laut Dieter Dohmen die Effizienz der Hochschulen steigern. Der Leiter des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie ist Mitverfasser eines Gutachtens zur Berliner Bildungsfinanzierung

taz: Herr Dohmen, in Ihrem Gutachten zur Bildungsfinanzierung in Berlin haben Sie „erhebliches Potenzial zur Effizienzsteigerung“ festgestellt. Sind Studienkonten ein Weg, dieses auszuschöpfen?

Dieter Dohmen: Sie können es sein. Über Studienkonten lässt sich die Nachfrage an den Hochschulen etwas besser abbilden. Man kann erfassen, wie viele Studenten tatsächlich Leistungen nachfragen. Zwingend ist die Steigerung von Effizienz damit noch nicht verbunden, sie kann aber hergestellt werden. Die Hochschulen müssen im Anschluss versuchen, ihr Studium in der Studienzeit studierbar zu machen. Unter Umständen führt dies zu einem größeren Angebot an Veranstaltungen, da die Hochschulen Geld für sie bekommen. Das hängt aber von der Ausgestaltung des Modells ab.

Welche Ausgestaltung halten Sie für die sinnvollste?

Eine nutzungsabhängige Ausgestaltung. Sie eignet sich, eine gute Beziehung zwischen Hochschule und Studierenden herzustellen. Das heißt: Wer zwei Semesterwochenstunden studiert, dem werden auch nur zwei abgebucht. Die Hochschulen haben ein realistisches Abbild von der Nachfrage. Zudem benötigt man keine Sonderregelungen für Erziehende, die weniger studieren, oder erwerbstätige Studierende. Ferner hätten die Hochschulen einen Anreiz, die erforderlichen Kurse auch anzubieten, da sie ansonsten kein Geld erhalten.

Im Modell des Wissenschaftssenators Thomas Flierl sind Diplomstudiengänge oder naturwissenschaftliche wie etwa Medizin vom Kontensystem ausgeschlossen. Macht die Einschränkung Sinn?

Bei Medizin ist das Studium relativ gut organisiert, dort werden die meisten bereits jetzt in der Regelstudienzeit fertig. Nicht nachvollziehbar ist, dass Diplomstudiengänge nicht einbezogen sind. Man sollte das Gesamtsystem umstellen.

Hintergrund für die Einführung von Studienkonten in Berlin ist die hohe Überschuldung des Haushalts. Sparen Studienkonten Geld?

Spareffekte können daraus erfolgen. Wenn sich etwa herausstellt, dass in einem Fachbereich sehr viele Studierende eingeschrieben sind, faktisch aber nicht studieren. Diese Überkapazitäten können reduziert werden. Kurzfristig kann gespart werden, wenn die Studierenden durch Streckung tatsächlich weniger Leistungen nachfragen, als bei einem Vollstudium zu erwarten wäre.

Berlin strebt einen Hochschulfinanzausgleich an. Führen Studienkonten dazu?

Strategisch können sie einer der besten Wege sein, um mittelfristig zu einem Hochschulfinanzausgleich zu kommen. Am einfachsten wäre, wenn die Studierenden Gutscheine von ihren Heimatländern bekämen, die dort auch bezahlt wären, und dadurch die Berliner Hochschulen finanziert würden.

Wie wichtig ist der Hochschulfinanzausgleich für Berlin?

Ausgesprochen wichtig. Berlin hat zusammen mit Hamburg den größten Anteil an Studierenden aus anderen Bundesländern und bildet in einem sehr starken Umfang insbesondere auch für Brandenburg aus. Es muss die Finanzlasten tragen, ohne unter Umständen die Erträge zu erhalten. Berlin sollte dafür entschädigt werden. Deshalb plädieren wir in unserem Gutachten auch für einen Hochschulfinanzausgleich. INTERVIEW: SUSANNE LANG