Moro heißt jetzt Nando

In Madrid passte Fernando Morientes nicht mehr ins Konzept, weshalb er an den AS Monaco ausgeliehen wurde. Der steht dank Morientes’ Toren vor dem Einzug ins Champions-League-Finale

VON RALF ITZEL

Wie sich die Welt für Fernando Morientes verändert hat, lässt sich vielleicht schon an seinen Spitznamen ablesen. Damals in Madrid verkürzten sie seinen Nachnamen zu „Moro“, was hart und düster klingt. In Monaco hingegen hält man sich an den Vornamen, „Nando“ wird er zärtlich gerufen. Kein Wunder, schließlich hat sich der Spanier an Frankreichs blauer Küste zum neuen Prinzen des Fürstentums aufgeschwungen. Zum Märchenprinzen, könnte man auch sagen, denn die seine ist schon eine fabelhafte Geschichte: Vergangenen Sommer wurde der Stürmer bei Real Madrid ausgemustert und, weil keiner die Ablöse zahlen wollte, für eine Jahresleihgebühr von knapp anderthalb Millionen Euro zum AS Monaco abgeschoben, einem Provinzklub mit durchschnittlich 6.000 Zuschauern. Die Hälfte des Gehalts überweist der Krösus aus Spanien, was besonders pikant wurde, als beide Mannschaften neulich im Viertelfinale der Champions League aufeinander trafen und Morientes die Weltauswahl durch zwei Tore aus dem Wettbewerb kickte. Während Real weiter grandios am Scheitern ist, schickt sich der Prinz von Monaco als Torschützenkönig Europas an, den neuen Verein, vor Saisonstart knapp am Konkurs vorbeigeschrammt, in sein erstes Landesmeisterfinale zu hieven. Und sollte die Story am 26. Mai in Gelsenkirchen ein Happyend bekommen, wird Morientes der erste sein, der die Champions League in ihrer modernen Form viermal gewonnen hat.

Verständlich, dass der 28-Jährige strahlt. Die Haare trägt er jetzt ein bisschen länger, was dem Frauenschwarm eine leicht verwegene Note gibt. Steckte man ihn in die passende Uniform, er ginge als einer der drei Musketiere durch, was auch zu den Berichten der französischen Presse passen würde. „Heroisch“ nannte L’Équipe seinen Auftritt vor zwei Wochen gegen Chelsea. Nachdem ihn Verteidiger Desailly unbemerkt per Ellbogencheck niedergestreckt und nachdem ein Monegasse eine strenge Rote Karte gesehen hatte, zettelte der tapfere Held eine Revolte gegen die Ungerechtigkeit an. Per Schuss in den Winkel markierte er das 2:1, schließlich siegte der AS 3:1. Achtmal hat Nando in Europas erster Klasse getroffen, und sollte es heute im Rückspiel in London (20.45, Sat.1) wieder klappen, wäre das Finale nahe.

Seine bisherigen drei verliefen mit Madrid allesamt erfolgreich, 2000 erzielte er in Paris sogar das erste Tor beim 3:0 gegen Valencia. Dass sie ihn trotzdem loswerden wollten, lag am Präsidenten, der gnadenlos alle aussortiert, die nicht in seine Politik der „Zidanes und Pavóns“, der Weltstars und Lehrlinge, passen. Es ist ein zusätzliches Augenzwinkern des Schicksals, dass der Vertriebene nun ausgerechnet im Stadion Louis II triumphiert, dort, wo im Sommer 2002 der Bruch mit Real offensichtlich wurde. Kurz vor dem Endspiel um Europas Supercup strich man ihn von der Spielerliste, weil er als Wechselgeld beim Ronaldo-Transfer in Frage kam. Mit versteinerter Miene verfolgte Moro den Sieg gegen Rotterdam im Klubanzug von der Tribüne.

Nun huldigen ihm von dort die Monegassen. Der 1,86 Meter große Morientes spielt leichtfüßig, elegant, mutig, schießt mit beiden Füßen und verfügt über eine tolle Kopfballtechnik. Trainer Didier Deschamps überreichte ihm bei der Ankunft das Trikot mit der 10 und lässt ihn auch im Mittelfeld agieren, in Madrid Hoheitsgebiet der Zidanes und Figos. Jetzt darf er auch mal eine Chance vergeben, ohne gleich gekreuzigt zu werden. Trotz der neuen Begeisterung wird der 30.000-Einwohner-Ort nie eine Fußballstadt werden. Hier lebt und kickt es sich bequem, Morientes kann sogar unbelästigt am Strand entspannen. Natürlich soll das Abenteuer noch gekrönt werden, aber schon jetzt sagt er: „Ich habe mein Ziel erreicht.“ Er wollte einfach wieder spielen und sich für die EM empfehlen. Die Portugal-Reise ist nun gebongt, wahrscheinlich darf er in Spaniens Startelf neben Real-Kapitän Raúl stürmen, mit dem er fast täglich telefoniert. Damals beim Supercupendspiel trug der Freund sein Trikot unter dem eigenen.

Real Madrid werde immer sein Heimatklub bleiben, sagt Morientes, trotz allem. 1995 kam er aus Zaragoza, zwei Jahre später ermöglichte ihm Trainer Jupp Heynckes den Durchbruch. Auch privat waren es sechs prägende Jahre, durch die Heirat mit Victoria und die Geburt der Kinder Fernandito und Lucia. Wo die Familie demnächst lebt, ist ungewiss, das Märchen geht bald zu Ende. Um weitere Eigentore zu vermeiden, wird Real den Angreifer entweder zurückbeordern oder endgültig verkaufen. Auch wenn Morientes gerne bleiben würde, der hoch verschuldete AS Monaco wird sich seine Dienste kaum weiter leisten können. An Angeboten mangelt es nicht mehr, ganz Europa ist ihm auf den Fersen. Was aber, wenn er wieder zurück soll, als Ronaldos Ersatzmann? Morientes lacht und zuckt mit den Schultern. Na und?, soll das heißen. Er wird ihnen schon zeigen, dass Moro mittlerweile Nando heißt.