„Ich will die Bayern nicht!“

Europa-Spitzenpolitiker Daniel Cohn-Bendit hat zwei Ziele: Bush muss weg. Und Bayern darf nicht Meister werden. Ist Anti-Bayern-tum okay? Oder typischer Negativismus der Linkssozialisierten?

VON PETER UNFRIED

Grade hat Daniel Cohn-Bendit die Fußball- und Politikwelt aufgerüttelt mit der These, die CDU/CSU sei schuld an der Dauerkrise des deutschen Verbandsfußballs. Wegen jahrzehntelanger Verschleppung einer Änderung des Staatsbürgerrechts. Selbst Teamchef Rudi Völler musste im „ZDF-Sport-Studio“ einräumen, da habe „er nicht ganz unrecht“. Nun kommt der grüne Europa-Spitzenkandidat mit der nächsten Forderung. „Die Bayern dürfen nicht Meister werden!“, sagte er in einem Gespräch mit der taz.

Es ist dies einer von zwei kategorischen Imperativen, die Cohn-Bendit (59) in diesem Jahr für sich formuliert hat. Der andere: „George W. Bush muss im November die Präsidentschaftswahl verlieren.“ Eine Gleichsetzung, die sofort den Einwand herausfordert, damit zwei Ziele nebeneinander zu stellen, deren Relevanz nicht annähernd zu vergleichen ist. Aber das interessiert Cohn-Bendit genauso wenig wie die Gefahr, Millionen deutscher wahlberechtigter Bayern-Anhänger zu vergrätzen. Man könne das „rational nicht erklären“. Leben habe „etwas mit Emotionen zu tun“. Und: „Meine Emotionen sind so: Ich will Bush nicht. Und ich will Bayern nicht.“

Cohn-Bendit dürfte zu den wenigen Spitzenpolitikern mit echter Fußballkompetenz gehören. Und er liebt den Fußball. Das merkt man, wenn er von Aime Jacquet schwärmt, dem französischen Weltmeistertrainer von 1998, dessen multikulturellem Team und dem modernen Stil, den Jacquet geschaffen hat.

Dass er gegen Titelverteidiger und Rekordmeister FC Bayern ist, heißt übrigens nicht, dass er für Werder Bremen wäre. „Ganz nett“ findet er den Bundesligatabellenführer, der trotz eines deutlich geringeren Etats die nominellen Spitzenteams derzeit alle abgehängt hat. Es handele sich um ein „ehrliches Ergebnis“, das ein „wahres Bild des Leistungsvermögens der Bundesliga“ widerspiegele. Man sehe das am Bremer Spielmacher Johan Micoud. Der, sagt er, „hat sich weder in Frankreichs Nationalteam noch in Europa durchgesetzt. Dass er zu einem herausragenden Spieler der Bundesliga wurde, zeigt den Stand der Dinge.“

Cohn-Bendit ist mit seiner Haltung („Hauptsache, nicht Bayern“) kein Einzelfall. Es ist in Deutschland verbreitet und auch weitgehend gesellschaftlich akzeptabel, in seiner Beschäftigung mit der Bundesliga hauptsächlich GEGEN den FC Bayern zu sein. Auch Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) gehört zu jenen, die sagen: „Ich bin froh für jeden außer Bayern, der Meister wird.“

Die Anti-Bayern-Haltung sei „Teil des Negativismus, der Linkssozialisierten anhaftet“, sagt der Frankfurter Psychoanalytiker Christian Schneider. Ist diese Haltung moralisch in Ordnung? Ist sie auf Dauer gesund? Es handelt sich schließlich um die negative Umwandlung einer eigentlich positiven Emotion: der Liebe ZUM Fußball oder zu einem bestimmten Verein. „Manche Leute finden ihren Klub, aber andere haben auch keine natürliche Wahl“, sagt dazu Schneider. Berliner etwa. Da bliebe eben nur die negative, emotionale Polung – dafür biete Bayern nun mal die beste Fläche (Kahn, Hoeneß usw.). Sein Rat an einen Verunsicherten: „Lassen Sie es so, solange es Sie nicht stört.“

Cohn-Bendit stört es nicht. „Negative Polung gibt’s nun mal im Leben. Wenn ich Pflüger (außenpolitischer Sprecher der CDU, Anm. der Red.) sehe, bin ich auch negativ gepolt.“ Dass gerade er als Utopist und Fußballliebender den Ball nicht mehr als Projektions- und Transportfläche von Utopien begreifen mag?

Mag er so nicht akzeptieren. Fakt ist für ihn: „Fußballerische Utopien kann man im Moment nicht aus Deutschland heraus entwickeln.“ Das erfolgreiche Bremer Unternehmens- und Fußballmodell stehe für „Solidität“ und „gutes Handwerk“. Das sei okay, habe aber etwas „Langweiliges“.

Und die Nationalmannschaft? Utopisch allenfalls 1972 zu Zeiten von „Ramba Zamba, Netzer, Beckenbauer, Overath“. Aber, und das ist das Zukunftsweisende am Europäer Cohn-Bendit, am Ende des Gesprächs weisen seine Gedanken über die gefallenen Schranken des Nationalstaats hinaus. Plötzlich verschwindet der pragmatische Minimalismus/Realismus und alles Negative und macht doch noch einer großen Utopie Raum. Jetzt spricht Cohn-Bendit wieder vom französischen Fußball. Von der positiven Energie der Einwanderung.

Er schwärmt von „südeuropäischer Dynamik“. Er beschwört die Kraft, die alle zeitgenössische Verkrustung auf einem verstopften Spielfeld mit einer Körperdrehung aufzuheben vermag. Und das alles komprimiert er in den Namen eines algerischen Einwanderersohnes: „Zidane!“ – „Wir müssen träumen“, krächzt Daniel Cohn-Bendit, „wir müssen träumen von einem EM-Finale Frankreich gegen Portugal.“ Er hat seine Eintrittskarte schon.