„Irakgate“ bringt Regierung zu Fall

Finnlands Regierungschefin Anneli Jäätteenmäki tritt nach nur 63 Tagen Amtszeit zurück. Sie hatte aus vertraulichen Protokollen eines Geprächs zwischen ihrem Vorgänger und US-Präsident George Bush zitiert. Nun wartet der Staatsanwalt

aus Stockholm REINHARD WOLFF

Finnlands erste Frau an der Regierungsspitze ist die Person auf dem Premiersessel mit der kürzesten Amtszeit. Am Mittwoch trat Anneli Jäätteenmäki nach 63 Tagen zurück. Ihre Begründung: „Ist das Vertrauen einmal weg, dann ist es endgültig weg.“ Ein Lügengebäude war zusammengebrochen. Mit ihrem Schritt kam sie ihrem Sturz in der kommenden Woche durch ein Misstrauensvotumon zuvor.

Ihr „Irakgate“, wie die Medien seit Wochen schreiben, endete ähnlich wie US-Präsident Nixons „Watergate“. Mit dem Irakkrieg und der kritischen Einstellung der Finnen dazu, wollte die Spitzenkandidatin der oppositionellen Zentrumspartei im Wahlkampf zu den Wahlen am 16. März punkten. Ihren Konkurrenten, den sozialdemokratischen Premier Paavo Lipponen, klagte sie an, trotz seines offiziellen Antikriegskurses mit in der Bush-Blair-Kriegskoalition zu sitzen. Beweis: Zitate aus einem vertraulichen Gesprächsprotokoll zwischen Bush und Lipponen, laut dem der US-Präsident Finnlands Regierungschef für seine Teilnahme am Antiterrorkrieg lobt. Diese Zitate gab Jäätteenmäki auf Wahlveranstaltungen zu Besten und veröffentlichte sie auf ihrer Internetseite.

Laut Lipponen bezogen sich die fraglichen Aussagen von George W. Bush zwar gar nicht auf den anstehenden Irakkrieg, sondern auf den Antiterrorkrieg nach dem 11. September. Doch nachdem Jäätteenmäki die Wahlen überraschend mit 0,2-Prozent Vorsprung vor Lipponen gewonnen hatte, zeigten Analysen, dass es gerade die Zweifel an Lipponens Iraklinie gewesen sein konnten, die die Zentrumspartei an die erste Stelle rücken ließen.

Fragen nach der Herkunft des Protokolls wurden bereits im Wahlkampf gestellt. Drängend wurden sie, nachdem die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufnahm. In der vorletzten Woche hatte Jäätteenmäki vor dem Parlament gelogen, sie habe weder geheime Papiere gehabt, noch wisse sie, wer die undichte Stelle für die Informationen sei.

Neue Lügen folgten am Mittwoch. Mittlerweile hatte die Polizei die undichte Stelle ausfindig gemacht: Martti Manninen, Berater der Staatschefin Tarja Halonen und ein Parteifreund von Jäätteenmäki. Im Parlament betonte die Ministerpräsidentin ihre Unschuld. Doch als Manninen erklärte, Jäätteenmäki habe ihn zu der Herausgabe der Papiere aufgefordert, war ihre Stellung unhaltbar geworden.

Nicht nur die politische Karriere von Anneli Jäätteenmäki dürfte zu Ende sein. Auf sie wartet jetzt die Staatsanwaltschaft. Mit Jäätteenmäki muss laut Verfassung die gesamte Regierung zurücktreten. In Helsinki wird mit einer Fortsetzung der Dreiparteienkoalition aus Zentrumspartei, Sozialdemokraten und Schwedischer Volkspartei gerechnet.