Flüchtende Studenten

Studentenvertreter in NRW sehen schlimmste Erwartungen bestätigt: Durch die Studiengebühren für Langzeitstudierende seien zehntausende akademische Karrieren abrupt beendet worden

VON SALVIO INCORVAIA

Die NRW- Hochschulen verlieren rund zehn Prozent ihrer Studierenden. Nach Angaben der Studentenausschüsse könnte sich die Zahl in den kommenden Semestern noch weiter erhöhen. „Unsere schlimmsten Befürchtungen sind eingetroffen. Zehntausende von akademischen Karrieren wurden beendet“, sagt Ernest Hammersmidt, NRW-Koordinator der Allgemeinen Studentenausschüsse (AStA). Nun würden viele ohne Berufsausbildung auf den Arbeitsmarkt drängen oder die Sozialkassen belasten.

Aufgrund der Gebühren für Langzeitstudenten und Seniorenstudenten hat sich nach vorläufigen Zahlen jeder Zehnte der 523.000 Studierenden im Bundesland zum Ende des Wintersemesters an seiner Fachhochschule oder Universität nicht zurückgemeldet. Nach dem auch die letzten Rückmeldefristen abgelaufen sind, geht die ASten-Konferenz sogar von deutlich mehr als den bisherigen 50.000 Abbrechern aus.

Erstmals haben Senioren und so genannte Langzeitstudierende zum begonnenen Sommersemester 2004 neben ihren regulären Rückmeldebeiträgen eine zusätzliche Studiengebühr von 650 Euro bezahlen müssen. Spitzenreiter auf der Verlustliste im Land sind die großen Universitäten.

Köln und die Städte am Rhein halten dabei Spitzenplätze. Hier meldeten sich rund 16.000 Studenten nicht mehr zurück. Düsseldorf besaß vor dem Sommersemester rund 25.000 Studenten und verlor rund 8.000. Die RWTH Aachen verlor rund 4.000 von 30.000 Studierenden. Bonn musste einen Verlust von 8.000 der ehemals 38.000 Eingeschriebenen hinnehmen.

Auch an der Ruhr grassierte die Studentenflucht: An der Universität Duisburg/Essen meldeten sich 7.000 von insgesamt 36.000 Studenten nicht mehr zurück. In der Bochumer Universität fehlen mehr als 5.000 von rund 35.000 Kommilitonen im Wintersemester und in Dortmund verließen von 25.000 Eingeschriebenen etwa 3.000 die Universität.

Eine ähnliches Bild ergibt sich im Münsterland und Ost-Westfalen: Von ehemals 40.000 Münsteranern kamen nur noch 30.000 aus den Semesterferien zurück. Die Universität Bielefeld verzeichnete den Abgang von 2.000 Eingeschriebenen, zuvor studierten hier 20.000.

Folgen hat der Schwund auch für die Eingeschriebenen: ASten-Landeskoordinator Hammersmidt sagt: „Die fehlenden Studenten an den Hochschulen werden eine Erhöhung der Rückmeldebeiträge für die verbliebenen Kommilitonen nach sich ziehen.“ Die verbliebenen Studierenden müssten jetzt allein für Studentenwerke und Studententicket aufkommen.