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Triumph der Missachteten

Der FC Porto besiegt Deportivo La Coruña 1:0 und steht im Finale der Champions League – und das, obwohl José Mourinho kaum über Superstars verfügt. Dafür lobt sich der Trainer gerne mal selbst

AUS LA CORUÑA RONALD RENG

Es ist dem schönen Mann mit der ordentlich gegelten Frisur, dem schicken Ledermantel und der sauber gebundenen Krawatte anzumerken, dass er José Mourinho ziemlich gut findet. Er lobt in pompösen Worten Mourinhos Werk, er zählt detailliert auf, wie toll Mourinho seine Mannschaft vorbereitet hat. Der junge Trainer hat den Außenseiter FC Porto nach einem 0:0 im Hinspiel mit einem 1:0-Sieg gegen Deportivo La Coruña gerade ins Finale der Champions League geführt – und trotzdem wirken die Elogen in der Dienstagnacht in den Katakomben des Riazor-Stadions von La Coruña etwas irritierend. Weil der Mann, der so begeistert von José Mourinho erzählt, José Mourinho selbst ist.

„In Portugal sagen sie, ich sei arrogant. Aber ich bin ein guter Trainer“, sagte er einmal und merkte vermutlich nicht einmal, dass er mit dem Selbstlob im zweiten Satz das Vorurteil aus dem ersten bestätigte. Im Übrigen kann man nicht anders als Mourinhos hohe Meinung über Mourinho zu teilen. In Porto hat der 41-Jährige eine Erfolgself geschaffen, wie es sie nach der Logik des modernen Fußballs gar nicht mehr geben dürfte. Nachdem in den Neunzigern das Bosman-Urteil den Einsatz von unbeschränkt vielen ausländischen Spielern erlaubte und die führenden Fußballnationen wie Spanien oder England vier Vereine in der Champions League ins Rennen schicken durften, begann das Zeitalter der Superklubs, Manchester United, Real Madrid, AC Mailand, „und die Vereine in Portugal verloren den Verstand, weil sie nicht wussten, wie sie noch eine Chance haben sollten“, sagt Mourinho. Dann kam er, der selber nie höher als Zweite Liga gespielt hatte und in dieser Klasse noch 1994 als Assistenztrainer arbeitete, ehe er bei Sporting Lissabon einen großen Verein von innen kennen lernte – als Übersetzer des englischen Trainers Bobby Robson. Irgendwann war er Robsons Scout, dann Cheftrainer in Leiria, erste Liga in Portugal. In Porto baute er eine Elf, wie sie seit Bosman ausgestorben schien, mit fast nur portugiesischen Spielern, neun standen in La Coruña in der Startformation, und der FC, der auf seinen einzigen Europacupsieg 1987 gegen Bayern München schon wie auf ein Relikt aus einem anderen Leben zurückblickte, gewann vergangene Saison, in Mourinhos erstem vollem Jahr, portugiesische Liga und Pokal sowie den Uefa-Cup, steht nun schon wieder als Landesmeister fest und nicht nur am 26. Mai in Gelsenkirchen im Champions-League-Finale, sondern auch im nationalen Cupfinale.

Ein Wunder? Eher eine Erinnerung, dass selbst im Zeitalter der Megastars eine Elf auch ohne Beckhams, Zidanes oder Ronaldos sehr gut sein kann – mit Werten wie taktischer Disziplin und Raffinesse. Dies vor allem hat diese Champions-League-Runde bewiesen: Der Unterschied zwischen Spielern, die von 100 Millionen von Thailand bis Taufkirchen verehrt werden, und Fußballern, die man außerhalb La Coruñas oder Portos kaum kennt, ist weit geringer, als es Medien und Werbung glauben machen. Der Einzug von Teams wie La Coruña und Monaco ins Halbfinale war ein Triumph der missachteten Profis, die nur gute Fußballer sind. Dass von diesen Außenseitern Porto am weitesten kommt, ist folgerichtig – es ist die konstanteste, die reifste Elf unter den Aufmüpfigen.

Dieser Abend im Stadion Riazor lieferte dazu nur den ultimativen Beweis. In einem Halbfinale, das als Spektakel mäßig war, kontrollierte Porto das Spiel, selbst wenn La Coruña den Ball bewegte; das Tor, das Stürmer Derlei schließlich nach einer Stunden per Foulelfmeter besorgte, hatte sich angekündigt, nicht durch großes Anstürmen, sondern durch Portos ruhige, unaufgeregte Überlegenheit. Porto hat keine Hemmungen, gewöhnlich auszusehen. Solide Verteidigung und einfache Pässe führen auch zum Ziel, wenn die Spieler die Taktik, die richtigen Positionen und Laufwege automatisiert haben. Und während der großartige Costinha im Mittelfeld Depors Gestalter Juan Valerón zur Nichtigkeit verurteilte, während ihr Kreativer Deco mit Risikopässen bestach, war leicht zu erkennen, wer Portos bester Mann ist: der Trainer.

Sein kurioser Weg in den großen Fußball als Übersetzer verleitet oft zur Annahme, er sei zufällig hineingestolpert. Tatsächlich verinnerlichte Mourinho das strategische Denken eines Trainers schon als Kind. Sein Vater Felix war Trainer bei bescheidenen Erstligisten in Portugal und der Sohn immer dabei. „Als 14-Jähriger bekam ich vom Vater schon Aufträge, Gegner zu beobachten, zu analysieren. Von seiner Siegprämie gab er mir zehn Prozent.“ Nun reizt ihn England, das Land, in dem er Sport studierte. Der FC Chelsea will ihn. Ob Mourinho in England, wo Eigenlob das schlimmste Verbrechen ist, viele Freunde findet, sei dahingestellt. Aber Chelsea würde einen exzellenten, den außergewöhnlichsten Trainer des internationalen Spitzenfußballs bekommen. Und das hätte José Mourinho nicht besser über José Mourinho sagen können.

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