h.g. hollein Was Hübsches

Die Frau, mit der ich lebe, wünscht gelegentlich, dass ich ihr etwas Kleidsames mitbringe. „Du weißt schon, ein hübsches Hemdchen oder so. Was Sommerliches eben.“ Für den Laien in Sachen Gefährtin mag das harmlos klingen, wenn auch nicht eben präzise. Der Aficionado hingegen – vulgo ich – weiß um die impliziten Spezifikationen, die sich in ihrer Summe zu einem nicht eben unkomplizierten Kanon der Unabdingbarkeiten fügen. Keine langen Ärmel, aber auch nicht armfrei, sprich: mit heruntergezogener Schulterpartie. Auf keinen Fall mit Kragen. Ausgeschnitten ja, aber nicht zu tief, am liebsten u-förmig. Locker fallend, aber nicht zu lang. Farbig. Aber nichts Buntes. Halt was Pfiffiges. Anders gesagt: Im Umtauschen bin ich gut. Also habe ich es mir im Laufe der Jahre angewöhnt, derartige Ansinnen der Gefährtin abzunicken, meine Besorgungen zu machen und anschließend mit Bedauern kundzutun, dass die Mode heuer wohl am Geschmack der Gefährtin vorbeidesignt worden sein müsse. Nun ist die Gefährtin nicht ganz doof und hat folglich gelernt, solche Bescheide mit einem gewissen Misstrauen aufzunehmen. Was dazu führt, dass wir am folgenden Samstag durch die Ottensener Boutiquen zickzacken, bis die Gefährtin nach drei Stunden endlich etwas vor sich hält, das tatsächlich alle oben angeführten Schnittauflagen erfüllt. „Und dieses niedliche Wämschen willst du nicht gesehen haben?“ heißt es dann in fein gestimmtem Schmollton. Aber die Gefährtin findet ja ohnehin, dass Männer unvollkommen sind.