St. Pauli bekreuzigt sich

Anwohner-Protest gegen Baumfällaktion am Spielplatz an der Ecke Simon-von-Utrecht-Straße/Hein-Hoyer-Straße

Die Anwohner der Hein-Hoyer-Straße in St. Pauli leisten Trauerarbeit. 20 karge Baumstümpfe erinnern an das Blätterdach hoher Bäume, die an der Ecke zur Simon-von-Utrecht-Straße noch vor einem Monat den Blick ins Grüne lenkten. Eine Anwohnerin hat Holzkreuze an die Baumstümpfe genagelt. „Baumfriedhof“ steht auf einem Plakat. Sie führt ein Kondolenzbuch, in dem sich schon mehr als 100 Anwohner eingetragen haben. „Ich habe seit 1963 miterlebt, wie die Bäume gewachsen sind“, sagt die Inhaberin des St. Pauli-Eck, Kirsten Kleine. Einer Besucherin des benachbarten Cafés will der Kaffee nicht mehr recht schmecken. „Vorher war es hier schattig, und die Luft war besser“, sagt sie.

Gefällt wurden die Bäume nach einem Beschluss des Bezirksamts Mitte. „Die Bäume standen auf einem Wall. Sie haben den Verkehr gefährdet“, begründet Sprecherin Soria Weiland. Der Wall umgibt das Gelände des ehemaligen israelitischen Krankenhauses. Die Stiftung von Salomon Heine steht bereits seit 1991 auf der Liste denkmalgeschützter Gebäude.

Einen Teil der Räumlichkeiten nutzt heute die Kita „Kinderland“. Noch Monatsfrist schirmten die Bäume den Spielplatz der Kinder von der Straße ab. „Die Älteren haben unter den Bäumen gesessen und ihre Hausaufgaben gemacht“, sagt Erzieherin Katja Wiechmann. „Die Kinder vermissen besonders ihren Osterbaum. Den haben sie mit angemalten Eiern geschmückt.“

Im nächsten Schritt will das Bezirksamt den Spielplatz der Kinder halbieren und einen Parkplatz anlegen. „Dafür entsteht im hinteren Teil des Geländes gegenüber dem Hospiz Leuchtfeuer eine parkähnliche Grünfläche“, sagt Weiland: „Die Patienten werden dann weniger von dem Lärm der Autos belästigt.“

Der Leiter der Kindertagesstätte, Volker Schlegel, nennt die Maßnahmen des Bezirks ein Trauerspiel. „Das Bezirksamt plant an den Bürgern vorbei“, sagt Schlegel. Als Mitglied des Sanierungsbeirats hatte er sich gegen die Pläne der Kommunalpolitiker und Grundeigentümer nicht durchsetzen können. „Dabei besagt die Baumschutz-Verordnung von 1981, dass Bäume von diesem Durchmesser nicht gefällt werden dürfen“, ärgert er sich. „Es würde mich interessieren, wie Politiker diese Gesetze aushebeln.“ Einige der gefällten Bäume waren über 85 Jahre alt. LENA ULLRICH