Nicht nur Vertrauen missbraucht

Ein Erzieher, der sich mehrfach an einem Kind vergangen hat, kommt mit Bewährungsstrafe davon. Das Opfer leidet noch Jahre später darunter, hat Schwierigkeiten in der Schule und muss eventuell stationär behandelt werden

taz ■ Zu zwei Jahren Freiheitsstrafe (mit vierjähriger Bewährungsfrist) und zu vier Jahren Berufsverbot verurteilte das Bremer Jugendschöffengericht gestern den Erzieher Michael S. wegen sexuellen Kindesmissbrauchs. Damit folgte es dem Antrag von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Der Angeklagte verpflichtete sich zu einer Schmerzensgeldzahlung von 10.000 Euro an sein Opfer und dessen alleinerziehende Mutter.

Der 46-Jährige war in 26 Fällen angeklagt, in den Jahren 2001 und 2002 drei Jungen im Alter von zehn und elf Jahren sexuell missbraucht zu haben. Er kannte die Jungen von seiner Arbeit in einem Waller Hort. Der Erzieher gestand zehn Übergriffe an einem Kind zwischen September 2001 und August 2002. Ein weiterer Junge könnte „Tobesituationen missverstanden“ haben. Die Beschuldigungen, einen dritten Jungen missbraucht zu haben, wies S. zurück. Das Gericht folgte Staatsanwalt Hans Hütte, die anderen 16 vorgeworfenen Taten nicht weiter zu ermitteln. Er siedele den Schutz der Opfer höher an als das öffentliche Interesse an der Aufklärung der Anklagepunkte, erklärt er. Vor Gericht auszusagen sei für die Kinder eine große Belastung. Für das Strafmaß spiele es keine große Rolle, ob es sich um zehn oder einige Fälle mehr handele.

In seiner Urteilsbegründung hielt das Gericht dem Angeklagten zugute, dass er ein Geständnis abgelegt habe, dass er zu Wiedergutmachung bereit sei und dass er bereits eine Therapie begonnen habe. Die könne er im Gefängnis nicht fortsetzen, was auch der Gesellschaft nicht nütze. Gegen S. habe gesprochen, dass er das Vertrauen des Elfjährigen missbraucht habe. Der habe in ihm eine Art „Vaterfigur und Freund“ gesehen, sagte Richter Rolf Steinhilber. Der Missbrauch war in der Wohnung des Angeklagten geschehen. „Ihre berufliche Zukunft in diesem Bereich ist zu Ende“, machte Steinhilber ihm klar.

Der Erzieher bat in seinem Geständnis den Jungen und seine Mutter um Entschuldigung. Er stehe vor den „Trümmern seines Lebens“, sagte S., zumal die Tätigkeit als Erzieher ein wichtiger Lebensinhalt für ihn gewesen sei. Weder der Junge noch seine Mutter waren anwesend. Die Nebenklagevertreterin, Rechtsanwältin Julia Lange, schilderte die sensible Situation des Schülers. Er habe Schwierigkeiten in der Schule und müsse sich möglicherweise in stationäre Behandlung begeben.

Staatsanwalt Hütte war mit dem Urteil einverstanden, machte nach dem Prozess aber deutlich, dass „der Angeklagte mit einem sehr blauen Auge davon gekommen“ sei. ube

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